Verkehr Der gefährliche Blick aufs Handy
Die Ablenkung durch Smartphone und Co. im Straßenverkehr ist enorm. Die Folgen sind katastrophal.
Krefeld. „Nein ich schaue später auf keinen Fall beim Autofahren auf mein Handy“, erklärt Annelie Bedau. Die 17-jährige Schülerin der Marienschule ist zusammen mit ihren Klassenkameraden gestern auf den Von-der-Leyen-Platz gekommen, um sich von der Polizei über die Ablenkungsgefahr zu informieren, die von Smartphones im Straßenverkehr ausgeht. „Wir haben uns bewusst diese Zielgruppe herausgesucht, weil viele von ihnen, bald den Führerschein machen werden und die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen an überproportional vielen Unfällen im Straßenverkehr beteiligt ist“, sagt Holger Klein.
Der Direktionsleiter Verkehr bei der Krefelder Polizei hat zusammen mit seinen Kollegen verschiedene Stationen aufgebaut, die den Schülern vor Augen führen sollen, welche schwerwiegenden Folgen selbst ein kurzer Blick aufs Handy haben kann. Er nennt ein erschreckend deutliches Beispiel: Ein Autofahrer, der mit 50 km/h unterwegs ist und nur eine Sekunde auf sein Handydisplay schaut, befindet sich rund 14 Meter im Blindflug. Im Straßenverkehr eine immense Gefahr. „Autofahren bedeutet für den Menschen gerade im Innenstadtbereich eine Reizüberflutung. Jede Sekunde Unaufmerksamkeit birgt ein großes Risiko“, berichtet Klein. Auch in Krefeld gab es in diesem Jahr bereits einen Unfall mit tödlichem Ausgang, vor dem ein Autofahrer ein elektronisches Gerät bediente und dadurch abgelenkt war. „Es ist nicht immer nur das Smartphone“, berichtet Klein. Auch laute Musik, die Bedienung von Navigationsgeräten oder gar die bloße Unterhaltung würden viele — wenn auch nur für wenige Augenblicke — vom Straßenverkehr ablenken. Doch das Handy bleibt bei den Ermittlern besonders im Fokus.
Zwar registrierte die Polizei in Krefeld seit 2016 nur 17 Unfälle, bei denen unmittelbar vorher vom Verursacher ein Handy benutzt wurde, dennoch warnen die Beamten. „Wir kratzen nur an der Oberfläche. Es ist schwer, den Griff ans Smartphone nachzuweisen. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher.“ Und damit auch die Unfallgefahr.
In einer Studie der Allianz geben 47 Prozent der befragten Fahrer in Deutschland, Österreich und der Schweiz an, während der Autofahrt ihr Handy zu nutzen. Die Unfallgefahr ist laut Polizei durch die Nutzung von elektronischen Geräten während der Fahrt zehnmal höher als normal. Zahlen die bedenklich stimmen und für die Ordnungshüter nur einen Schluss zulassen. „Wir müssen aufklären“, sagt Polizeihauptkommissar Rainer Behrens. Teilweise mit schockierenden Videos.
Auch gestern zeigen die oftmals sehr emotionalen Filme die größte Wirkung bei den Schülern. Ein Clip, der von Schülern produziert wurde, zeigt einen Jungen, der mit seinem Auto auf dem Heimweg ist. Dabei chattet er mit seiner Freundin. Das Wochenende wird geplant. Dann ein Schnitt. Der Wagen kollidiert mit einem Baum. Im Video hört man die Rufe der Notärzte — wieder ein Schnitt. Die Notfallseelsorge klingelt am Haus des Jungen und überbringt der Mutter die tragische Nachricht.
Die Schüler müssen schlucken und blicken betroffen in die Runde. „Viel muss aber auch über das Elternhaus gehen“, sagt Holger Klein. „Wir sehen die Kinder einmal im Jahr bei solchen Veranstaltungen, ihre Eltern sehen sie 365 Tage im Jahr und müssen klare Kante zeigen und deutlich machen, dass sich keine SMS, keine WhatsApp-Nachricht während der Fahrt lohnt. Nie.“ Ein Hinweis, den sich Annelie Bedau zu Herzen nimmt: „Wenn mein Vater während der Autofahrt aufs Handy schaut, mecker ich ihn an.“ Eine Reaktion, die sich die Polizei nur wünschen kann.