Häusliche Gewalt Das Frauenhaus ist überfüllt
Krefeld · Die Einrichtung des Sozialdienstes katholischer Frauen muss immer öfter Bedürftige abweisen. Das Land verspricht Hilfen.
Die Ampel steht auf rot. Derzeit können keine weiteren Hilfesuchenden im Frauen- und Kinderschutzhaus aufgenommen werden. Die Kriseneinrichtung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) ist voll belegt. 16 Plätze können die Verantwortlichen um Hausleiterin Martina Müller-West für Schutzsuchende anbieten. Die Nachfrage ist deutlich höher. „Drei Anfragen pro Woche haben wir im Durchschnitt. Wenn wir keinen Platz mehr anbieten können, versuchen wir die Frauen auf andere Häuser in der Umgebung zu verteilen“, berichtet die Diplom-Sozialpädagogin.
Zahl der Fälle hat sich seit 2007 um 40 Prozent erhöht
Doch auch in den Nachbarkommunen ist es schwierig geworden, einen Platz in einem Frauenhaus zu bekommen. Grund ist nach Aussage des NRW-Gleichstellungsministeriums ein Anstieg bei den Fällen von häuslicher Gewalt. In einem am 8. Oktober veröffentlichten Bericht der Behörde heißt es: „So habe sich von 2007 bis 2016 die Zahl der Strafanzeigen im Bereich häusliche Gewalt um 7817 erhöht. Das entspreche einer Zunahme von gut 38 Prozent.“ Fast 11 100 Opfer seien 2016 an Beratungsstellen verwiesen worden. Binnen zehn Jahren entspreche dies einer Zunahme von rund 59 Prozent. „Immer mehr betroffene Frauen durchbrechen somit die Gewaltspirale und suchen sich Hilfe“, heißt es in dem Bericht.
In Krefeld registrierte die Polizei im Jahr 2017 insgesamt 588 Fälle von häuslicher Gewalt. Im gleichen Zeitraum wurden 137 Opfer an Beratungsstellen verwiesen und 253 Wohnungsverweisungen und Rückkehrverbote gegen Aggressoren ausgesprochen. Viele Betroffene wenden sich an den SkF. Ein anderes Frauenhaus gibt es in der Stadt nicht. „Natürlich ist es dramatisch, wenn wir Frauen abweisen müssen“, sagt Müller-West, „wir versuchen dann, eine andere Lösung zu finden“. In vielen der Fälle kämen Mütter mit ihren Kindern in die Schutzeinrichtung des Wohlfahrtsverbandes. „Auch wenn Kinder von den Misshandlungen physisch nicht direkt betroffen sind, spricht man häufig von einem regelrechten Miterleben der Vorfälle.“
Lange bleiben will möglichst keins der Opfer im Frauenhaus. Drei Monate bleiben die Frauen, häufig aber auch länger. „Ein Zimmer zusammen mit zwei bis drei Kindern, das wird auf Dauer eng“, berichtet die Hausleiterin. Doch die Suche nach Wohnungen für die Betroffen gestalte sich schwierig. „Der Markt ist total abgegrast, es gibt kaum noch soliden Wohnraum zu vernünftigen Preisen.“ Verschimmelte Wände, aufgerissene Böden – nahezu alles sei dem SkF als Mietunterkunft schon angeboten worden. „So sieht doch kein Start in ein neues Leben aus“, sagt Müller-West. Denn für den Großteil der Frauen gebe es nach den erlebten Misshandlungen keinen Weg zurück.
Unterstützung soll es nun vom Land geben. Zuschüsse für bestehende Frauenhäuser (mehr als acht Plätze) sollen rückwirkend ebenso bewilligt werden, wie eine Erhöhung der Sachkostenpauschale von 6000 auf 7500 Euro. Die Förderung der Frauenhäuser sei 2018 um 500 000 Euro auf insgesamt knapp zehn Millionen Euro erhöht worden, hieß es weiter.
In Krefeld arbeitet der SkF konkret an einem Projekt zur Überbrückung der Wohnungsproblematik. Die Idee ist, eine Zwischenwohnung zu mieten, in der Betroffene bei einem zu langen Aufenthalt im Frauenhaus bis zur Anmietung einer eigenen Wohnung untergebracht werden können.
Polizei appelliert an Krefelder,
bei Gewalt nicht wegzusehen
Die Polizei appelliert, beim Thema häusliche Gewalt nicht wegzusehen. „Häusliche Gewalt ist weit mehr als Zahlen in einer Statistik ausdrücken können. Sie ist verknüpft mit Angst, Scham und Verletzungen“, sagt Polizeipräsident Rainer Furth und ergänzt: „Unsere Aufgabe ist es, diese Straftaten konsequent zu verfolgen und den Opfern zu helfen. Prävention ist zudem ein wichtiger Aspekt.“
Rainer Furth ist es dabei wichtig, dass Polizei und Gesellschaft „zusammenwirken“. „Niemand sollte wegschauen, wenn er Hinweise auf häusliche Gewalt in seinem Umfeld findet.“