WZ-Serie „Kreis der Macher wird größer“
Krefeld · Gastbeitrag IG Metall-Geschäftsführer Ralf Claessen wirft für die Westdeutsche Zeitung einen Blick auf die Arbeitswelt.
Mich ärgert es immer wieder, wenn ich Städterankings „lese“ und meine „Samt- und Seidenstadt“, die auch Stahl, Schienenfahrzeuge, Chemie, Maschinen und viele andere tolle Produkte und Dienste für ein gutes Leben bietet „schlecht“ platziert wird. Wie wenig die Krefelder selbst wissen, was Industrie und Handel alles auf den Weg bringen, ist natürlich auch eine Baustelle. Die tolle Broschüre „made in Krefeld“ von der Initiative Zukunft durch Industrie muss wohl mal an alle Haushalte verteilt werden. Ärgern hilft aber nicht. Besser machen ist angesagt. Wenn Gäste im Krefelder Hauptbahnhof ankommen oder sich die Schlaglochrallye auf Krefelds Straßen antun müssen, darf es nicht überraschen, dass es schwierig wird, den ersten Eindruck „positiv“ zu drehen.
Auch in puncto Arbeit(slosigkeit) muss sich Krefeld entscheiden. Prosperierendes Rheinland oder strukturwandelgeplagtes Ruhrgebiet – wo stehen wir? Genau dazwischen. Wohin wollen wir uns orientieren? Mit wem wollen wir kooperieren? Krefeld muss (s)einen eigenen Weg gehen. Ohne Arroganz. Ohne Überheblichkeit. Aber auch ohne sich klein zu machen. Die WfG macht da einen sehr guten Job – unter schwierigen Rahmenbedingungen, denn Gewerbeflächen fallen nicht vom Himmel. Für den Krefelder Arbeitsmarkt stehen mehrere Herausforderungen an: ran an die Langzeitarbeitslosigkeit – gerne auch mit einem „sozialen Arbeitsmarkt“, ran an die Situation Ausbildungsmarkt und Jugendarbeitslosigkeit, ran an die Frauenbeschäftigungssituation.
Schließlich ist und bleibt Krefeld (hoffentlich) ein Industriestandort. Mit Samt- und Seide wurde Krefeld „reich“. Mit Bits und Bytes müssen wir den Transformationsprozess aktiv gestalten. Bewährtes bewahren, Neuem Raum geben. Bestandspflege und Neu-Gründung und Ansiedlung – keine Widersprüche, sondern logische Entwicklungen. Krefeld braucht einen gesunden Mix aus Industrie, Handwerk und Handel – und wir sind gut beraten, auch dafür zu sorgen, dass niederrheinische Landwirte uns mit gesunden Produkten versorgen. Wer industrielle Produkte nutzt, muss auch damit klar kommen, dass Industrie um die Ecke ist.
Für tausende Krefelder ist die Industrie nicht nur Arbeitgeber, sondern auch der Ort, an dem sie ihre Talente und Kompetenzen wirkungsvoll einbringen – am besten mitbestimmt und tariflich geregelt.
Wünsche für die Zukunft, Wünsche für Krefeld
Denn Krefeld kann was. Krefeld – nur ein Dorf am linken Niederrhein? Nicht nur Gäste des Blauen Engels kennen den Aufkleber. Steht diese Aussage im Widerspruch zum Anspruch „Oberzentrum“ zu sein? Für mich nicht. Viele Krefelder Stadtteile haben sich ihren „dörflichen“ Charakter erhalten – und das ist gut so. Man kennt sich, man hilft sich, man arbeitet, sportelt und feiert miteinander. In Linn, Traar, Bockum, Fischeln und auch in Uerdingen am Rhein – wo montags immer gelesen wird. Langsam aber stetig wird der Kreis der Macher größer, und der der Meckerer kleiner. Beide werden gebraucht – ob die mediale Aufmerksamkeit immer richtig dosiert ist, ist Geschmackssache.
Das Straßen, Schulen und Sportstätten marode sind, ist ärgerlich. Eine „klamme“ Kommune ist stark begrenzt in ihren Handlungsmöglichkeiten. Ein volles Stadtsäckel bietet Gestaltungsmöglichkeiten. Und schon kommt wieder ein Interessenkonflikt auf: keine Kohle – keine Kekse. Ich wünsche mir, dass in allen Betrieben, Kanzleien, Praxen, kirchlichen Einrichtungen und Verwaltungen Demokratie nicht am Eingang endet. Betriebs- und Personalräte sorgen für Mit- und damit auch für mehr Selbstbestimmung. Ohne Tarifvertrag wird der Beschäftigte oft zum Bittsteller – das ist unwürdig. Aus- und Weiterbildung, Gesundheitsförderung, Vereinbarkeit, altersgerechte Arbeit sind die Schlüssel für Motivation und Engagement.
Ich wünsche mir, dass jeder Schulabgänger den Ausbildungsberuf oder das Studium starten kann, den er sich erwünscht. Viele Krefelder machen sich für Ihre Stadt stark. In Vereinen. In Parteien. In der Gemeinde und Nachbarschaft. Es könnten aber noch ein paar mehr sein. Stadt und IHK haben eine tolle Initiative auf den Weg gebracht: Aktionsplan Wirtschaft für Krefeld. Mit dem Perspektivwechsel wird der Scheinwerfer auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Stadt geworfen – und alle Krefelder sind eingeladen sich als Stadtentwickler einzubringen.
Es lohnt sich.