Wünsche „Wunschlos glücklich sein, bringt den Menschen nicht weiter“

Krefeld · Ein Facharzt über die Folgen erfüllter und unerfüllter Träume.

Andreas Horn ist Chefarzt für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie am Alexianer in Krefeld.

Foto: Alexianer

Wieder Wollsocken? Ja, das Duschgel ist auch schon ein Klassiker. Wenn man schon anhand der Verpackung erraten kann, was sich unter dem glänzenden Geschenkpapier verbirgt, dann ist an Heiligabend schlechte Stimmung unterm Tannenbaum programmiert. Die WZ hat mit einem Psychologen über Wünsche gesprochen. Und darüber, was es mit uns macht, wenn sie erfüllt werden – oder eben nicht.

Wer ist schon wunschlos glücklich? Aus therapeutischer Perspektive sei das sogar höchst kontraproduktiv, sagt Andreas Horn, Klinikleiter für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie am Alexianer Krefeld. Weihnachtliche Klassiker wie Krawatten, Kerzenständer und Kinderbücher haben mit dem Alltag der Fachärzte und Psychologen am Krankenhaus zwar wenig Berührungspunkte, Wünsche spielen in der Therapie aber durchaus eine Rolle: „Es geht darum, wie wir die Kraft unserer Fantasie einsetzen“, sagt Horn und erklärt: „Unsere Fantasie beflügelt uns, uns weiterzuentwickeln und näher an unsere Ziele zu kommen, deren Verwirklichung wir uns wünschen.“

In der lösungsorientierten Kurzzeittherapie gebe es einen Ansatz, mit Wünschen zu arbeiten. Der verstorbene amerikanische Psychotherapeut und Autor Steve de Shazer hat in den 1980er Jahren die sogenannte Wunderfrage entwickelt: Patienten sollen sich vorstellen, dass ihnen nachts im Schlaf eine gute Fee erscheint, die all ihre Probleme löst. Die Wunderfrage stellt sich dann am nächsten Morgen: „Die Patienten sollen sich fragen: Was fühlt sich nun anders an? Welche anderen Gedanken habe ich?“, erklärt Horn. Geht man davon aus, ein Wunsch sei „ein Begehren auf Veränderung der Realität“, dann gehe es beim Wünschen vor allem um eines: kontraproduktive Gedanken durch zielführende zu ersetzen. „Es ist wichtig, Wünsche nicht als solche im Raum stehen zu lassen, sondern der Frage nachzugehen, wie der Betroffene sein Umfeld verändern kann, damit Wünsche und Ziele erreichbar werden“, sagt der Facharzt vom Alexianer.

Auch auf den Körper haben Wünsche eine Auswirkung. „Wir streben alle nach biologischen Gleichgewichten“, erklärt Horn, „dafür müssen wir in ausreichendem Maß Belohnung erfahren.“ Der Botenstoff Dopamin spielt dabei eine wesentliche Rolle. Nicht umsonst wird es Glückshormon genannt, denn es wird zur Aktivierung des Belohnungssystems vom Körper ausgeschüttet. „Wenn sich ein Wunsch erfüllt, dann stärkt das das Selbstwertgefühl, weil durch den Wunscherfüller Wertschätzung gespiegelt wird – das passiert natürlich auch beim Schenken zu Weihnachten“, sagt Horn.

Weil es zum Leben dazu gehöre, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können, sei es wichtig, sich nicht an unerfüllbare Wünsche zu klammern, betont Horn. „Es gibt Menschen, die bauen sich ihre eigenen Fallen, in dem sie sich Unerfüllbares wünschen. Deshalb werden sie immer wieder enttäuscht.“ Sein Tipp: „Man muss die Balance zwischen erfüllbaren und unerfüllbaren Wünschen finden. In der Therapie arbeiten wir mit Patienten an Bewältigungsstrategien, ihre eigenen Ressourcen zu mobilisieren, um so ein wunscherfüllteres Leben zu bekommen.“ Ohne aber wunschlos glücklich zu sein. Denn ein Wunsch hat vor allem auch eines: Sehnsuchtscharakter. „Deshalb sollte es immer auch Wünsche geben, die Wünsche bleiben“, sagt Horn. „Das kann ein Motor sein, um sich persönlich weiterzuentwickeln.“