Hund als Therapiehelfer Finja, die freundliche Assistentin

Krefeld · Die Krefelder Ergotherapeutin Judith Koch und ihr vierjähriger Therapiebegleithund.

Judith Koch und ihr Therapiebegleithund Finja.

Foto: wz/kurz

Die Patientin sitzt im Rollstuhl. Vor ihr ein Brettspiel. „Der schlaue Hund“ heißt es. Auf einige der Felder hat die Frau, die sich nach einem Oberschenkelhalsbruch nicht mehr traute, ohne fremde Hilfe aus dem Rollstuhl aufzustehen, Hundeleckerchen platziert. Der schlaue Hund ist auch da: die vierjährige Finja. Der „Pugglemix“, eine Mischung aus Mops und Beagle, stupst mit der Nase einen Würfel an. Eine fünf kommt. Die Patientin rückt die Spielfigur auf ein Feld, dort liegt eines der Leckerchen. Verbunden damit ist aber auch eine „Ereigniskarte“ für die Spielerin: „Auf beide Füße stellen und bis fünf zählen“, steht da. Die Dame zögert, guckt hinüber zu Finja, die blickt mit ihrem Hundeblick zurück. „Gut, ich versuche es für dich.“ Geschafft. Das Spiel geht weiter. Würfeln, das nächste Leckerchen, die nächste Ereigniskarte: „Auf einem Bein stehen und bis 10 zählen.“ Der Blick zum Hund, ja Finja soll auch dieses Leckerchen haben.

Ein Spiel, das für Patientin
und Hund spannend ist

„Natürlich weiß die Patientin, dass sie nicht nur dem Hund einen Gefallen tut, sondern vor allem sich selbst“, sagt Judith Koch, die diese Geschichte aus ihrer Praxis erzählt. Sie hat das Spiel gebastelt, benutzt es oft für ihre Arbeit. Die 29-Jährige ist Ergotherapeutin in Krefeld. Sie macht all das, was Ergotherapeuten so machen (Infokasten). Hat dabei aber eine treue Mitarbeiterin. Finja eben. Wenn die Hündin im Dienst ist, trägt sie ein Halstuch. Natürlich setzt Judith Koch sie nicht bei jedem Patienten ein. Immer wieder mal bei Kindern, aber auch zum Beispiel bei Demenzpatienten ist das freundliche Tier für sie eine Hilfe. „Ich habe zum Beispiel einen Patienten, dem ich mich immer wieder neu vorstellen muss, der aber immer als Erstes fragt, ob Finja da ist.“

Finja ist ein ausgebildeter Therapiebegleithund. Und das wird man nicht so leicht. Die in Blöcken absolvierte einjährige Ausbildung dazu hat ihre Besitzerin fast 3000 Euro gekostet. Damit sie den Hund bei ihrer Arbeit am Menschen einsetzen darf, gibt es strenge Regeln, zweimal im Jahr muss Finja zum tierärztlichen Gesamtcheck. Hinzu kommt das, was Chefin Judith zwar für sinnvoll hält, was ihr aber doch auch „im Herzen wehtut“: der Wesenstest, den ein Therapiebegleithund alle zwei Jahre absolvieren muss. Besteht das Tier den Test nicht, darf es nie mehr für die Therapie eingesetzt werden. Judith Koch erzählt: „Da wird Finja von einer ihr fremden Person provoziert, angeschrien, an den Ohren gezogen. Sie darf weglaufen, aber keinesfalls knurren oder die Lefzen ziehen. Dann ist es vorbei.“ Mit dem Test soll festgestellt werden, ob der Hund sein Wesen verändert, vielleicht aggressiv wird. Und deshalb nicht mehr mit Patienten zusammenarbeiten darf.

Ein autistischer Junge, ein Mädchen im Hospiz – und Finja

Doch Finja gewinnt die Menschen für sich. So wie einen autistischen kleinen Jungen, dessen Mutter sehr darunter litt, dass er keinerlei körperliche Berührungen zuließ. Was für sie nicht nur ein emotionales, sondern auch ein ganz praktisches Problem war, wenn sie ihm beim Waschen helfen wollte. Als Mutter und Kind zu ihr kamen, bemerkte die Therapeutin die neugierigen Blicke, die der Junge dem Hund zuwarf. Irgendwann traute er sich, seinen Kopf auf die am Boden liegende Finja zu legen. Spürte ihren Atem, den Herzschlag, die Wärme. In späteren Sitzungen konnte das Kind den Hund bereits knuddeln. Und noch später durfte sich auch die Mama dazulegen, ihr Kind berühren. Nach Monaten sogar umarmen. Es wurde ein Kuscheltier gekauft, das so ähnlich aussieht wie Finja, und das wird jetzt immer mit ins Bad genommen, Mama darf bei der Körperpflege helfen.

Und da ist das sechsjährige Mädchen im Krefelder Kinderhospiz „Stups“, wohin Judith Koch einmal die Woche mit Finja fährt. Da lebt auch ein Mädchen, das monatelang keine Emotionen mehr gezeigt hatte, das nicht sprechen kann und blind ist. „Finja hat sich zu ihr ins Bett gelegt und auf einmal hat das Mädchen angefangen, laut zu lachen“, erzählt Judith Koch. Der Hund hatte dem Mädchen die Hand abgeleckt. Inzwischen dreht sich das Kind im Bett wieder von einer Seite auf die andere, was schon ein großer Fortschritt ist. Geholfen hat Finja, die sich mal rechts, mal links von ihr hinlegte, so dass sich das Mädchen umdrehen musste, um Kontakt zu dem geliebten Tier zu haben, es zu umarmen. Bei einem Jungen im Hospiz verminderten sich die epileptischen Anfälle, seit Finja zu Besuch kommt.

Judith Koch, die sich ab Oktober in ihrer neuen Praxis „jubegood“ an der Alten Linnerstraße selbstständig macht, rechnet Finjas Leistungen übrigens nicht extra ab. Die staatlich geprüfte Ergotherapeutin freut sich über die oft schnelleren Therapieerfolge, wenn sie das Tier einsetzt. Wie bei der Behandlung eines halbseitig gelähmten Schlaganfallpatienten. Wenn sie dessen Arm gelockert hat und sich dann dem Bein zuwendet, so sei es wichtig, dass der Arm nicht wieder verkrampft. Leichte Bewegungen des Armes würden da schon helfen. Da kommt wieder Finja ins Spiel. Der Patient legt den Arm auf den neben ihm liegenden Hund, dessen Atmung, die leichte Bewegung führen zum gewünschten Ziel.

Was Finja von ihren Erfolgen mitbekommt? Vielleicht mehr als man denkt. Denkt man, wenn man dem klugen Tier tief in die braunen Augen blickt.