Wirtschaft Logopädin darf trotz Corona nicht mehr online therapieren

Wuppertal · Die Entscheidung sorgt für Unverständnis – Krankenkassen sehen Videotherapie kritisch.

Lisa Wolff und ihr Patient David Hefendahl trennt bei der Therapie ein Spuckschutz.

Foto: Schwartz, Anna (as)

David Hefendehl ist aufgrund eines schweren Fahrradunfalls auf eine logopädische Therapie angewiesen. Für ihn stellt es ein hohes Risiko dar, sich mit Krankheiten anzustecken. „Aufgrund der Art der Verletzung darf ich nicht mal Husten bekommen“, berichtet er. Nun aber fühlt er sich diesem Risiko ausgesetzt, weil die Behandlung seit Anfang Juli nur noch vor Ort durchgeführt werden kann. Das war zur Corona-Zeiten nicht immer so. Lisa Wolff ist staatlich anerkannte Logopädin und stellvertretende Praxisleitung bei „DiaLog“ in Barmen. Sie berichtet: „Die Kassen haben sehr gut reagiert, indem sie im März die Online-Therapie anerkannt haben.“ Diese Möglichkeit wurde jedoch zum 1. Juli wieder ausgeschlossen.

Wolff fällt es mit Blick auf die weiterhin bestehenden Corona-Neuinfektionen schwer, das nachzuvollziehen. Zum einen seien Patienten, die beispielsweise nach einem Schlaganfall oder wegen einer Krebserkrankung ein geschwächtes Immunsystem haben, gefährdet, zum anderen fühlt sich auch das Praxispersonal im Stich gelassen. „Wir setzen uns einem riesigen gesundheitlichen Risiko aus“, sagt sie und beklagt, dass für die Therapeuten keine kostenlosen Covid-19-Tests zur Verfügung gestellt werden. Das sei „makaber“, wenn man betrachte, dass dies zwar richtigerweise Urlauber in Anspruch nehmen könnten, nicht aber Logopäden. „Wenn das auf unserer Gesundheit ausgetragen wird, haben wir ein schlechtes Gefühl“, zeichnet Wolff ein Stimmungsbild. Aktuell wird in der Praxis mit Spuckschutz, Masken und gründlicher Desinfektion gearbeitet, das reiche aber nicht aus, wie Hefendehl als Patient berichtet: „Bei Stimmübungen kommt ordentlich etwas an Aerosolen heraus.“

Streichung zieht auch wirtschaftliche Folgen nach sich

Lisa Wolff erklärt, dass die Streichung der Unterstützung für Online-Behandlungen auch wirtschaftliche Folgen nach sich ziehe. Einige Praxen hätten nach der Maßnahme im März ihre Technik auf den neuesten Stand gebracht, um den Anforderungen zu entsprechen, so die Logopädin. Diese Ressourcen seien nun nach nur wenigen Monaten nicht mehr nutzbar. Sie möchte den verantwortlichen Krankenkassen gegenüber keine Vorwürfe in den Raum werfen, sondern eine „Diskussion entfachen, damit das Krisenmanagement überarbeitet wird“.

Auf Anfrage wies der GKV-Spitzenverband als entscheidendes Gremium schriftlich darauf hin, dass die Logopädie nach einer Rechtsverordnung vom 5. Mai Ausgleichszahlungen erhalte. Zuvor habe man den Praxen mit der Internet-Option hohe Einbußen durch wegfallende Therapiestunden ersparen wollen; nun würden die Logopäden durch die Zahlungen ausreichend unterstützt. Der gesundheitliche Aspekt des Rückzugs wird vom Spitzenverband wie folgt gerechtfertigt: „Nun hat sich die Corona-Lage etwas entspannt und entsprechende Lockerungsmaßnahmen haben eingesetzt, sodass vor diesem Hintergrund die Videotherapie nicht mehr nötig ist.“ Bis es eine allgemeine Einführung der Behandlung per Bildschirm geben könne, müsse „genau geprüft werden, ob und wie die Qualität der Behandlungen hierbei sichergestellt wird“, gab der Verband zu verstehen. Es sei eine „persönliche Interaktion zwischen Patient und Therapeut“ erforderlich, weshalb die Krankenkassen Online-Therapien aus medizinischer Sicht kritisch betrachten.

Für Lisa Wolff haben diese sich in der Barmer Praxis als erfolgreich erwiesen. Überdies nennt sie mit den Niederlanden ein Beispiel, bei dem diese Art der Behandlung selbst bei Erkältungen probates Mittel sei. Sie setzt sich für eine generelle Einführung ein, dadurch werde „mehr Flexibilität und geringeres Risiko“ ermöglicht.

David Hefendehl bestätigt diese beiden Punkte, wenn er sich wegen seiner Verletzung vor der herbstlichen Grippewelle sorgt und vom zeitaufwändigen Weg in die Praxis berichtet, der für ihn oft mit Schmerzen verbunden ist. Er meint zum Wunsch nach Videotherapien: „Ich glaube, diese Forderung ist nicht komplett aus der Luft gegriffen.“