Wirtschaft Krefelder Firmen fürchten Folgen des Brexit

Krefeld. · 80 Prozent des Umsatzes der Spedition Stromps wird in England generiert. Deren Chef wünscht sich Klarheit.

Christoph Rochow von der Spedition Stromps.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Zwischen London und Brüssel wird darüber schon eine gefühlte Ewigkeit diskutiert: Wie wird der Brexit, also der Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union zum 30. März 2019, geregelt? Nachdem  bei den Verhandlungen anscheinend ein Durchbruch über ein Abkommen erzielt worden sein soll, dem die Regierungschefs und das britische Parlament aber noch zustimmen müssen, könnte es auch für die Krefelder Firmen, die sich im Vereinigten Königreich engagieren, allmählich Klarheit geben.

„Die Unternehmer wollen Antworten statt Unsicherheiten. Dann können sie konkrete Handlungsstrategien entwickeln“, berichtet Jörg Schouren von der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein. Wichtig sei eine Regelung für die Übergangsphase, wenn es denn eine gebe. Schouren selbst wünscht sich auf jeden Fall einen geordneten Austritt.

Diese Einschätzungen bekräftigt Christoph Rochow, Geschäftsführer der Transportfirma Stromps + Co. 80 Prozent des Umsatzes der GmbH an der Untergath entfallen auf Logistik-Dienstleistungen mit Großbritannien. Stromps + Co. betreibt sogar eine eigene Firma in England. Gerade erst vor zwei Wochen war Rochow auf der Insel und berichtet, dass seine Geschäftspartner das politische Chaos, das die eigene Regierung verursachte habe, nicht nachvollziehen können.

„Wir brauchen Zeit, um uns auf den Brexit vorzubereiten“, sagt Rochow. Bisher aber sei das noch nicht möglich gewesen, da es keine Einigung über die Modalitäten gab. Wenn jetzt von einer Übergangsphase bis Ende 2020 oder gar 2021 die Rede sei, verschaffe das ein bisschen Luft. „Wir brauchen jetzt Butter bei die Fische, worauf wir uns einstellen müssen.“

In Detroit (USA) erreicht die WZ Detlev Moritz, Geschäftsführender Gesellschafter der Krefelder Gemo GmbH, die unter anderem auf biegsame Wellen  für die Automobilindustrie spezialisiert ist. Theresa Mays Vertrags-Entwurf sei ein Offenbarungseid, meint er. Der Brexit sei von Anfang an ein Fehler gewesen.

Firmenchef stellt sich
viele Fragen

IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz hat von umfangreichen Vorbereitungen gesprochen, die auf die Unternehmen zukommen könnten: „Das ist abhängig unter anderem vom künftigen Engagement in Großbritannien, von der Unternehmensgröße und der Branche.“ Die IHK-Außenwirtschaftsfachleute gehen davon aus, dass es insbesondere im Warenverkehr eine Reihe von Verschlechterungen geben wird.

Müssen in Zukunft Ausfuhrerklärungen nach Großbritannien gemacht werden? Wie wird die Zollabwicklung ablaufen? Sind die britischen Behörden überhaupt personell dazu in der Lage, diese nach dem Brexit zu stemmen? Oder bildet sich dann ein Flaschenhals? Solche Fragen stellt sich Christoph Rochow derzeit.

Professor Harald Schoelen vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Niederrhein kann sich derzeit noch nicht vorstellen, dass die britische Regierungschefin Theresa May für ihren Brexit-Entwurf eine Mehrheit im Parlament bekommt. In der Sache bedeute er einen weichen Brexit, also „eine Startrampe für ein Freihandelsabkommen“, das bis 2021 noch ausgehandelt werden müsse.

Selbst wenn es nun von beiden Seiten eine Zustimmung zum Abkommen gebe, so Schoelen, seien ganz viele Detailfragen – etwa zu Zöllen – aber noch völlig offen. Und genau hier warten die Unternehmen auf Antworten.

Welche Risiken drohen der Wirtschaft am Niederrhein, falls das Abkommen doch noch scheitern sollte? „Eine mögliche Abwertung des britischen Pfunds gegenüber dem Euro und eine höhere Inflation könnten deutsche Produkte in Großbritannien verteuern und deren Absatz bremsen“, hatte Stefan Enders, Leiter des Bereichs International der IHK Mittlerer Niederrhein, dazu schon vor zwei Jahren gesagt. Das könne Arbeitsplätze kosten. Denn knapp 56 Prozent der im Ausland aktiven Unternehmen in der Region unterhalten Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien.

Immerhin: Bis zum jetzigen Zeitpunkt spürt man bei Stromps + Co. kaum Auswirkungen des Brexit. Ein Kunde aus der Kosmetikbranche habe seine Produktion von England nach Köln verlagert, berichtet Rochow. Und in der Maschinenbranche gebe es eine teils abwartende Haltung. Andererseits habe sich das Geschäft mit dem Vereinigten Königreich seit dem vergangenen Sommer spürbar belebt. Der Stromps-Geschäftsführer hofft, dass dies nicht nur daran liegt, dass Firmen vor dem Austritt der Briten noch rasch ihre Geschäfte abwickeln wollen.