Ganztag — der Rivale der Sportvereine?
Der Leiter der Gesamtschule Kaiserplatz sprach beim CSV Marathon über Zukunftsmodelle.
Krefeld. Wenn in fünf Jahren ein Sportverein um 16 Uhr ein Training ansetzt, wird kaum noch ein Kind kommen können. Nicht wegen der Spielkonsolen oder des Fernsehens, sondern wegen der Schule. Die Ganztagsschule ist weiter auf dem Vormarsch, die Nachfrage steigt. Welche Auswirkungen das auf die Sportvereine hat, war Thema der Matinee des CSV Marathon.
Jochen Adrian, Schulleiter der Gesamtschule Kaiserplatz, war zur Diskussion zum Thema „Sport im Offenen Ganztag — Fluch oder Segen für Vereine“ eingeladen. Er war selbst lange Zeit im Krefelder Sport aktiv und hat seine ersten Vereinserfahrungen beim CSV Marathon gesammelt.
Professor Claus Bühs, der die Diskussion moderiert, gibt zu, dass ihm das Thema Bauchschmerzen bereitet: „Früher hat man als junger Mensch sehr viel Zeit im Verein verbracht. Die Umstellung auf den Ganztag hat aber große Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung der Kinder“, sagt er. Rund 35 Prozent der Schulen in NRW sind bereits im Ganztag — und es werden von Jahr zu Jahr immer mehr.
Das Grundproblem für Sportvereine mit dem Ganztag ist schnell ausgemacht: Wer in der Schule sitzt, kann nicht im Verein trainieren. Dadurch ist der Wunsch nach individueller Freizeitgestaltung immer größer geworden. Die Schüler wollen sich nicht mehr an feste Zeiten halten müssen: „Es gibt mittlerweile ein riesiges Angebot für junge Menschen, Sport zu machen, aber sie wollen dies nicht unter dem Druck eines Vereins machen“, sagt Adrian.
So kommt bei Bühs die Frage auf, was die Vereine falsch machen. Adrian erklärt dazu: „Viele Vereine verschlafen den Umschwung“. Man sollte auf die Schüler zugehen und ihnen Angebote ohne langfristige Bindungen ermöglichen: „Die Vereine sollten offener sein und alle Sparten gemeinsam und flexibel präsentieren“, fordert er.
Das Beispiel der Gesamtschule Kaiserplatz zeigt, wie die Zeit der Schüler organisiert ist: Zu Beginn des Schuljahres können die Kinder aus dem großen Angebot auswählen und den Aktivitäten in der Mittagspause oder Nachmittags in den AGs nachgehen: „Dieses Konzept hat auch schon für einige Erfolge außerhalb der Schule gesorgt.“
Adrian weist darauf hin, dass Sporthallen und Sportplatzkapazitäten an vielen Krefelder Schulen nicht gegeben seien und deshalb auf Partner zurückgegriffen werden müsse. Genau darin sollten Schulen und Vereine ihre Chancen sehen: „Beide müssen aufeinander zugehen und die Initiative ergreifen.“
Zum Schluss fragt Bühs, ob das Erlebnis der Gemeinschaft bei unverbindlichen Angeboten nicht auf der Strecke bleibe. Adrian streitet dies ab: „Durch diese Angebote kann die Hemmschwelle, Vereine auszuprobieren deutlich gesenkt werden.“ Eine Prognose für die nächsten 20 Jahre kann Adrian nicht geben, aber es stehe fest, dass Schulen und Vereine sich weiterentwickeln müssen.