Grüne Spitzenkandidatin Matthias: „Wir sind keine Verbotspartei“
Die Spitzenkandidatin der Grünen, Heidi Matthias, spricht übers Sparen, Bauen und die Zusammenarbeit mit der SPD.
Krefeld. Mit einem neuen Team wollen die Krefelder Grünen künftig stärker auf das Thema Ökologie setzen. So soll es unter anderem trotz der Haushaltsprobleme mehr Geld für die Pflege und den Ersatz von Straßenbäumen geben, sagt Heidi Matthias, Spitzenkandidatin der Grünen.
Rücken die Grünen nach dem Abschied von Stefani Mälzer und Rolf Rundmund nun weiter nach links?
Heidi Matthias:Das will ich nicht ausschließen, obwohl wir den Schwerpunkt wohl eher wieder mehr in Richtung Ökologie setzen werden. Aber, wenn sich Zwei verabschieden, die die Fraktion so lange — positiv — geprägt haben, ist eine Neuausrichtung völlig normal.
Wie wird sich die Mannschaft neu aufstellen?
Matthias: Das ist noch nicht eindeutig klar. Natürlich ist die jahrzehntelange Erfahrung der Vorgänger nicht gleich wettzumachen, doch ich habe keine Sorge, dass es eine gute Neubesetzung für die Themen gibt.
Welche Mehrheiten wären mit dieser neuen Mannschaft denkbar? Ist die SPD ein möglicher Partner?
Matthias: Auf jeden Fall im Bereich Soziales. Auch in Sachen Planung, aber dort haben wir auch gut mit der CDU zusammengearbeitet. Auf jeden Fall müssen wir untereinander neue Kommunikationsformen finden.
Hat es dort in der Vergangenheit Probleme gegeben?
Matthias: Mit der SPD war das in der Vergangenheit nicht immer das Optimale. Ich wünsche mir, dass das Gespräch offener läuft und die Taktiererei aufhört.
Kurzer Rückblick auf die Bundestagswahl: Dort wurden die Grünen als Verbotspartei wahrgenommen. Wie wollen Sie sich dagegen wehren?
Matthias: Wir sind keine Verbotspartei. Das ist von den Medien hochgespielt und aus dem Zusammenhang gerissen worden. Wir versuchen eher, eine Sensibilisierung anzustoßen, etwa was Massentierhaltung angeht. In Europa müssen wir unsere Lebensweise überdenken.
Klingt jetzt doch nach Doktrin . . .
Matthias: Ich denke, das haben wir kapiert, dass das so ankommt. In Krefeld wollen wir lieber mit gutem Beispiel vorangehen, Taten sprechen lassen wie bei dem Aussäen der Wildblumenwiesen gegen das Insektensterben. Für die Krefelder Bäume wollen wir einen Teil des sonstigen Wahlkampfbudgets spenden.
Das allein wird allerdings die Straßenbäume nicht retten.
Matthias: Nein, es ist viel zu wenig Geld da — auch für die Pflege. Wir möchten das Gespräch mit der Bezirksregierung suchen, ob trotz Nothaushalt dort Investitionen möglich sind. Unser Argument ist, dass durch das Fällen der Bäume auch Kapital der Stadt zerstört wird. Ich bin überzeugt: Wenn die Bürger sehen, dass die Stadt sich bemüht, wird auch die Spendenbereitschaft steigen.
Apropos Haushalt: Wie sieht eine grüne Sanierung aus?
Matthias: Wir müssen zum Beispiel das Forderungsmanagement verbessern. Da gibt es noch riesige Außenstände im zweistelligen Millionenbereich. Allerdings geht das nur mit ausreichend Personal und nicht von heute auf morgen. Ohnehin ist vieles ganzheitlich zu sehen, etwa beim Gebäudemanagement. Die Energiekosten müssen sich verringern. Auch hier streben wir Gespräche an, um energetische Sanierung im Nothaushalt zu ermöglichen.
Alles eher langfristige Projekte. Ist der angestrebte Ausgleich 2018 da realistisch?
Matthias: Dafür würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Die Einnahmeseite werden wir auf jeden Fall erhöhen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ohne Steuererhöhungen auskommen. Möglichst kurzfristig ist auch die teure Anmietung von Verwaltungsstandorten zu canceln. Ein Thema, das durch das Stadthausdilemma noch verstärkt wurde und einmal mehr zeigt, wie wichtig langfristiges Denken ist.
Sie möchten die freie Kulturszene fördern — notfalls auf Kosten der städtischen Institute?
Matthias: Wir sind nicht bereit, ein städtisches Institut zu schließen. Das würde ja auch neue Probleme in punkto Gebäude produzieren. Aber auch bei den freien Trägern sind die Einsparungen des Nothaushaltes auf Dauer nicht machbar. Wir hoffen einfach, dass sie noch durchhalten bis zum neuen Haushalt.
Zum Thema Bauen: Sie wehren sich gegen eine Zersiedelung am Stadtrand. Wie wollen Sie dies Familien erklären, die ebendort wohnen möchten?
Matthias: Es ist ja nicht so, dass es nicht ausreichend Baugebiete am Stadtrand gäbe. Außerdem ist der demographische Wandel zu berücksichtigen. So wohnen in Forstwald jetzt noch viele Ältere und es gibt riesige Grundstücke, die verdichtet werden könnten.
Wogegen es in Bockum starke Proteste gab.
Matthias: Einen Bebauungsplan gegen solch starke Proteste durchzusetzen, halte ich für falsch. Doch als Politiker muss man großräumiger denken und Kompromisse finden. Zum Beispiel für das Kasernengelände in Forstwald. Grundsätzlich setzen wir aber auf den allgemeinen Trend zurück in die Stadt. Diese Tendenz ist zum Beispiel schon an der Blumenstraße abzulesen.
Sie kritisieren, bei der Akquise von Fördermitteln laufe es sonst nicht so gut. Was ist mit dem Europa-Beauftragten der Verwaltung?
Matthias: Zum einen ist es zu kurzsichtig gedacht, wenn die notwendigen Eigenmittel für Förderungen nicht zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen muss die Verwaltung da effektiver aufgestellt werden. Allerdings zusammen mit den handelnden Personen und nicht gegen sie.
Wie bewerten Sie insgesamt die Arbeit der Verwaltung nach Schulnoten?
Matthias: In den vergangenen Jahren waren wir schon häufiger ratlos. Manches erscheint irrational, zum Beispiel, wenn der Kämmerer einen viel zu optimistischen Etat-Plan vorlegt. Mit der Planungsspitze sind wir dagegen sehr zufrieden. Schulnoten möchte ich aber nicht geben.
Bei der vergangenen Wahl konnten Sie 14,2 Prozent der Stimmen gewinnen. Was halten Sie diesmal für realistisch?
Matthias: Natürlich wünsche ich mir, dass wir das wieder erreichen. Aber ich bin selbstbewusst genug zu sagen: Wir haben in den fünf Jahren gut gearbeitet, da wäre dieses Ergebnis durchaus gerechtfertigt.