Gülle kann viel: Und riecht dann ganz anders

Mit Gülle düngen und mit der Natur achtsam umgehen ist für Landwirt Werner Schleupen kein Widerspruch. Er ist Fan einer neuen Verordnung, die das Grundwasser schützt.

Foto: Andreas Bischof

Es knattert auf dem Lefkeshof. Aus einer Art Container kommt das anhaltende Motorgeräusch. Methangas nährt das Blockheizkraftwerk. 24 Stunden läuft es durch — und das zu einem großen Anteil durch Gülle. Denn im Milchviehbetrieb von Landwirt Werner Schleupen werden die Hinterlassenschaften seiner Bullen, Kühe und Kälber nicht nur als Dünger für das auf den Feldern wachsende Futter genutzt. Vorher dreht ihr Verdautes noch eine Runde durch die Biogasanlage.

Das hat für den 57-Jährigen, der den Hof in Orbroich am äußersten Rand von Hüls mit seinem Sohn Bernd (28) betreibt, gleich mehrere positive Aspekte, darunter die Energiegewinnung aus einem erneuerbaren Rohstoff. „Es ist auch wirtschaftlich interessant, die Gülle noch einmal zu nutzen, bevor sie auf die Felder kommt“, sagt Werner Schleupen. 2,5 Millionen Kilowattstunden Strom können die beiden im Jahr ins öffentliche Netz einspeisen. Knapp 1000 Haushalte lassen sich so versorgen.

Aber auch für die Nachbarn hat die Biogasanlage einen fühlbaren Vorteil. Denn der Rest, der am Ende der Stromproduktion von zwei Dritteln Gülle und einem Drittel Silomais übrigbleibt, habe „nicht mehr diesen starken Geruch nach Amoniak, er erinnert mehr an Kompostgeruch“, erzählt der Landwirt. Wobei das Geruchsproblem sowieso in den vergangenen Jahren abgenommen habe, da die Technik verbessert wurde. „Früher wurde die Flüssigkeit ja versprüht, heute wird sie bodennäher verteilt.“

Schleupen fährt nicht umsonst einen Güllewagen, der 85 000 Euro gekostet hat — und damit rund 35 000 Euro mehr als die weithin verbreiteten Fahrzeuge. „Damit kann ich die Gülle besser verteilen.“ Kommt sie effektiver auf den Ackerboden, hat Schleupen besseres, sprich: mehr, eigenes Futter für seine 250 Milchkühe und die 500 Tiere in der Nachzucht. Er muss also auch weniger Dünger zukaufen.

Schleupens Ziel: eine bessere Stickstoffbilanz, im besten Fall kommt weniger Stickstoff auf den Hof als ihn verlässt. Die Rechnung ist also: „Ich nutze eine Menge x an Düngemittel, um es auf eine bestimmte Fläche zu verteilen, auf der Futtermittel wächst, das in die Kuh kommt. Und was hinten rauskommt, geht wieder als Düngemittel aufs Feld.“

Genauso viel Dünger und damit Stickstoff auf die Böden zu bringen wie die Pflanzen brauchen beziehungsweise verbrauchen, also nicht zu überdüngen, bedeutet, dass kein Nitrat ins Grundwasser gewaschen wird. Deswegen hat sich der Hülser schon seit Jahren über die bis dato für Landwirte erlaubte Berechnungsweise der Nährstoffbilanz und damit auch über Kollegen gewundert, die sich bei der Stickstoffbilanz gesund geschätzt hätten. „Das musste ein Ende haben“. In fast allen Regionen in Deutschland, in denen Vieh gehalten wird, sei in der Regel auch der Nitratgehalt im Wasser zu hoch, kritisiert Schleupen.

Deswegen ist er auch ein großer Fan der „Stoffstrombilanz“, die seit Inkrafttreten der neuen Düngeverordnung im Januar für die Landwirte verpflichtend ist und die sie auf Verlangen der jeweiligen Landwirtschaftskammer vorlegen müssen.Nun ist Pflicht, was Schleupen als „einer von wenigen Betrieben in der Region“ schon seit 2006 macht. Es wird erfasst, was durchs Hoftor reingeht und was wieder raus.

Für die entsprechende Düngereform hatte er unter anderem vor vier Jahren beim Grünen-Politiker Johannes Remmel — damals noch NRW-Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz — bei dessen Niederrhein-Radtour mit Halt auf dem Lefkeshof geworben. „Der Vorteil der jetzt vorgeschriebenen Art der Bilanz ist: Man kann nichts vertuschen, das ist eine ganz klare Sache, die einfach zu kalkulieren ist“, sagt Schleupen.

Und es macht jedem klar, wo eventuell in Sachen Stickstoff und dadurch Nitratbelastung der Böden und des Grundwassers nachgebessert werden muss. In der Hoftorbilanz ist für jede Art von „Nährstoffzufuhr“ ein Wert festgelegt: für Futter, Dünger, neues Vieh, das gekauft wird. Ein 550 Kilogramm schwerer Bulle hat zum Beispiel 13,75 Kilogramm Stickstoff „in sich“. Auch was rausgeht, wird anhand von für alle gültigen Werten berechnet. Bei Schleupen betrifft das verkaufte Kühe, Kälber, Rinder, Milch, Weizen, Rüben, Gerste, Heu oder Gülle, die er anderen Bauern als Dünger liefert.

Seit Schleupen die Daten auf diese Art und Weise erfasst, sind die anfänglich vorhandenen Stickstoff-Überschüsse nach und nach zurückgegangen. Während er 2009 beispielsweise in seiner Bilanz noch am Ende des Jahres 44 Kilogramm Stickstoff mehr durchs Hoftor ging als wieder hinaus, „waren es 2013 zum Beispiel nur noch sechs Kilo“, berichtet er über die Ergebnisse, die durch moderne Technik und anderes Arbeiten möglich geworden seien.

Allein schon weil 95 Prozent des Betriebs im Wassereinzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage Niep Süsselheide und damit in einer Wasserschutzzone liegen, muss Familie Schleupen sowieso seit Jahren anders agieren. Zwischenfrüchte auf den Feldern wie Gras, Raps oder Phacelia helfen in der kalten Jahreszeit, weil sie die Nährstoffe aus dem Boden speichern und diese nicht aus der Erde gewaschen werden. „Außerdem pflügen wir beispielsweise im Frühjahr nicht, sondern arbeiten flach, damit nicht so viel Stickstoff freigesetzt wird“, berichtet Schleupen.

Auf den Feldern des Lefekeshof in der Wasserschutzzone zieht der Brunnenbetreiber einmal im Jahr Bodenproben bis in eine Tiefe von 90 Zentimetern, um zu kontrollieren, ob nicht überdüngt wurde. Auch auf Pflanzenschutzmittel wird die Krume getestet. Und das ist fast krefeldweit so. Denn fast alle landwirtschaftlichen Flächen im Stadtgebiet liegen in Wasserschutzzonen.