Heiligabend in St. Martin: Ein Fest für die Außenseiter

Seit 40 Jahren feiern Bedürftige Weihnachten — dank Menschen wie Heinz Ponzelar und Herbert Drabben.

Krefeld. Auf die Idee kam Heinz Ponzelar ganz spontan. „Wir müssen mal was für die Obdachlosen tun“, sagte der damalige Pfarrjugendführer vor 40 Jahren. „Erst gingen alle Gesichter nach unten“, erinnert sich der inzwischen 71-Jährige. „Heiligabend war schließlich allen heilig.“

Doch dann packten plötzlich ganz viele Hände mit an. „Wir machten richtig Reklame für unsere erste Feier am Heiligen Abend in St. Martin“, erzählt Herbert Drabben, der frühere Leiter des Jugendheims St. Martin. „Wir legten Flyer aus und sagten an der Schlafstelle Lutherstraße Bescheid. Der Rest war Mundpropaganda.“

Das eigene Weihnachtsfest mussten die rund zwölf Ehrenamtlichen verschieben. Familie Ponzelar verlegte es auf den Mittag. „Wir ließen die Rollläden runter, damit wir im Kerzenlicht singen konnten“, erinnert sich Heinz Ponzelar. „Um halb drei musste ich ja schon weg.“

Keines der Gründungsmitglieder hatte 1973 eine Ahnung, wie der Nachmittag genau ablaufen sollte. Der Saal füllte sich überraschend schnell. „Unsere Gäste waren Alkoholiker, Obdachlose, aus dem Gefängnis Entlassene und Stromer, die immer draußen lebten“, zählt Heinz Ponzelar auf. „Wir hatten vorher in der Pfarre Altkleider gesammelt, so dass sich jeder einkleiden konnte.“

Es wurde viel geredet an diesem 24. Dezember, jeder konnte den Helfern sein Herz ausschütten. Zunächst tischte man Kaffee und Kuchen auf, später gab es Kartoffelsalat mit Würstchen. „Das war damals richtig lecker“, schwärmt Ponzelar noch heute.

Plötzlich setzte sich ein Mann an das Klavier, spielte Weihnachtslieder und eine Frau sang mit glockenklarer Stimme dazu. „Da lief emotional das Fass über“, sagt Herbert Drabben.

Sogar zur anschließenden Mette kamen einige der ungewöhnlichen Gäste. „Sie setzten sich mit ihren Plastikbeuteln in die erste Bank“, erzählt Drabben. „Das war ein richtiger Schock für die Gläubigen in ihrer Abendgarderobe.“

Herbert Drabben kommt aus der Gemeinde, er ist in St. Martin groß geworden. Ursprünglich ist der 75-Jährige gelernter Chemotechniker, doch er hat eine zusätzliche Ausbildung als Erzieher und Religionslehrer gemacht und schließlich als Gemeindereferent gearbeitet. „Ich habe 40 Jahre lang die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest begleitet“, sagt Drabben nicht ohne Stolz.

Auch die heutige Feier trägt seine Handschrift. Als Heinz Ponzelar selber Vater wurde, feierte er Weihnachten mit seiner eigenen Familie in Hüls. „Man muss auch mal abgeben können“, sagt der dreifache Vater und fünffache Opa mit einem Lachen.

Dass die Weihnachtsfeier in St. Martin zu einer 40 Jahre langen Erfolgsgeschichte reift, hätte er sich nie träumen lassen. Aus Fehlern lernten die Verantwortlichen schnell. „Anfangs bekam jeder Gast 50 Pfennig für ein warmes Bett. Doch statt in die Notschlafstelle, brachten die Nichtsesshaften das Geld zum Kiosk fürs nächste Bier“, erzählt Ponzelar.

Also verteilten die Gastgeber auf der nächsten Weihnachtsfeier nur noch Gutscheine für die Schlafstelle. Mit der Zeit kamen immer weniger Obdachlose.

„Heute finden die sozial schwachen Familien, die Ausländer, Alleinstehenden, Asylanten und Hartz-IV-Empfänger den Weg zu St. Martin“, sagt Drabben, auf dessen Initiative das Canapee gegründet wurde.

Vor vier Jahren wurde er für sein Engagement mit dem Preis für Bürgerschaftliche Selbsthilfe ausgezeichnet.