Schutz der Artenvielfalt Herzenswunsch für Igel: Eine stationäre Wildtierstation in Krefeld

Jetzt, mit Herbstbeginn, werden private Gärten wie auch öffentliche Grünflächen und Straßen zu Abenteuerspielplätzen für Wildtiere. Wie jedes Abenteuer kann das für Leib und Leben gefährlich sein.

Brigitte Thevessen von Casa dei Riccio mit fünf jungen Igel-Geschwistern, die innerhalb weniger Tage von einer aufmerksamen Krefelderin bei ihr abgegeben wurden, nachdem die Mutter überfahren auf der Straße lag. Alle waren mit Fliegeneiern befallen und drei von ihnen sogar schon von Maden.

Foto: Andreas Drabben

Vor allem in der Nähe von Menschen. Bei Brigitte Thevessen steht überwiegend mit Beginn der Dämmerung das Handy nicht mehr still.  Bei der Gründerin der Pflegestelle für verletzte, kranke oder geschwächte Igel, dem Verein Casa dei Riccio Krefeld, rufen Menschen vom Niederrhein und aus dem Ruhrgebiet an, die teils schon stundenlang auf der Suche nach Rat und Hilfe für aufgefundene, verletzte Tiere sind. Der Krefelder Verein ist der einzige im Umkreis, der eine 24-Stunden-Erreichbarkeit bietet. „Ehrenamtliche Arbeit kann das auf Dauer nicht leisten, immer mehr Nothilfen schließen unter der Last von Kosten und Arbeit“, berichtet Theveßen. Dessen ist sich auch Silke Gorißen, die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW, bewusst.  Am Donnerstag, 28. September, von 9 bis 11 Uhr, will sie sich selbst vor Ort ein Bild von der Arbeit der ehrenamtlichen Tierschützer machen.

Über 400 Igel in diesem Jahr bislang schon aufgenommen

Nachdem Brigitte Theveßen ihre erste Igelstation am Plankerdyk aus landschaftsschutzrechtlichen Gründen aufgeben musste und kaum praktische oder gar finanzielle Unterstützung durch die Stadt Krefeld erfuhr, kam sie auf der Suche nach Fördermöglichkeiten mit der neuen Tierschutzbeauftragten des Landes, Dr. Gerlinde von Dehn, in Kontakt.

„Wir hatten vor sechs Wochen eine Videokonferenz mit ihr, zunächst gedacht als Vermittlerin zwischen Stadt Krefeld und der Igelhilfe, doch sie gab das Thema an die Ministerin weiter“, erzählen Jörg Grünauer und Brigitte Theveßen in ihrem neuen Domizil an der Kreuzstraße 9 in Hüls. 55 Igel betreuen sie derzeit dort; weit über 400 bislang. „Am Ende des Jahres werden wir über die Rekordzahl von 660 aus dem vergangenen Jahr kommen“, sagt Thevessen sichtlich frustriert.

Während das Bewusstsein für Wildtiere und Artenschutz in der Bevölkerung langsam wachse, vermisse sie dies  weitestgehend auf kommunaler und bislang auch noch auf Landesebene. Silke Gorißen wolle das ändern. Dabei regelt das Bundesnaturschutzgesetz schon längst den Umgang mit wild lebenden Tieren und den Schutz ihrer Lebensstätten. Verletzte, hilflose oder kranke Tiere dürfen danach „der Natur entnommen werden“, um sie gesundzupflegen und anschließend wieder freizulassen. Laut Paragraph 45 Absatz 5 des Gesetzes sind diese Tiere im Übrigen an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Bislang gibt es laut Thevessen jedoch nur die private  Pflege. So auch in Krefeld. Für die Stadt Krefeld bestehe laut schriftlicher Mitteilung an Thevessen auch „kein Handlungsbedarf“.

Dabei nimmt die Zahl der verwundeten wie auch verhungernden Igel von Jahr zu Jahr dramatisch zu. Durch den vermehrten Einsatz von  Mährobotern abends und nachts, durch Freischneider, durch Verlust von kleinen Biotopen in der Stadt, durch den wachsenden Straßenverkehr wie auch durch den Verlust natürlicher Futterquellen in der Natur durch den Klimawandel.

Allein die Tierarztkosten sind ein fast unbezahlbarer Kostenfaktor

Die drei Vereine in Krefeld, Casa dei Riccio, die Igelnothilfe Krefeld und die Igelfreunde Niederrhein, arbeiten alle ehrenamtlich, finanzieren sich durch Spenden. Doch die reichten bei weitem nicht aus. Durch die neue Gebührenordnung der Tierärzte sind allein die Kosten für die medizinische Versorgung stark gestiegen. Zahlte Thevessen in der Vergangenheit für die Einschläferung von einem schwer verletzten Igel in der Nacht 80 bis 90 Euro in einer Tierklinik, sind es nun 180 Euro, die sie aus Spendengeldern aufzutreiben versucht. Für den in Hüls nun notwendigen Abfallcontainer der Igelstation müsse sie im Jahr allein 3450 Euro zahlen. Woher das Geld kommen soll, weiß sie derzeit noch nicht.

Zuversichtlich stimmt Grünauer und Thevessen die Absicht der Landes-Tierschutzbeauftragten, den ehrenamtlichen privaten und den staatlichen Tierschutz miteinander zu verknüpfen. Gerline von Dehn will ein staatliches Wildtiermanagment in NRW aufbauen, mit besserer Transparenz der verschiedenen Hilfsangebote, Vernetzung aller Stellen, einer zentralen Notrufnummer. „Und stationärer Wildtierstationen statt privater“, erklärt Thevessen. Auch der Zoo Krefeld habe die Notwendigkeit einer solchen Station schon betont.

In Niedersachsen sei die Wildtierhilfe schon perfekt. Und die Stadt Bergheim mache laut Thevessen mit einer tollen Aktion vor, was auch auf Krefelder Friedhöfen möglich sein könnte. Handwerker des Bergheimer Betriebshofs zimmern im Auftrag der Kreisstadt Igelschlafhäuser, die im Stadtgebiet aufgestellt werden, um sicher durch den Winter zu kommen (siehe im Internet https://t1p.de/npl0h). Außerdem bietet die Stadt  auf ihrer Seite eine Anleitung zum Selbstbau an. Auch lassen die Mitarbeiter des Betriebshofs auf geeigneten städtischen Flächen große Laubhaufen liegen, in denen noch bis Anfang Oktober Igelbabys geboren werden könnten.

Der Kreis Viersen kläre derweil rechtlich, ob er auf seiner Internetseite als Service für Finder von Wildtieren eine Übersicht der Telefonnummern der Tiernothilfe veröffentlichen darf.  „Das würde schon die Wege für alle verkürzen und ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Thevessen. Mit Spannung erwartet sie nun den Besuch der Ministerin am Donnerstag in Hüls.