Christian Ehring in der Kufa Warum Einstein nie wirklich im Whirlpool entspannt hat

Krefeld · Kabarettist Christian Ehring präsentiert zum Abschluss der Jubiläumswoche in der Kufa hochaktuelle Satire

Für Christian Ehring ist Politik nur noch hektische Schadenbegrenzung.

Foto: Ja/Dirk Jochmann

Christian Ehring, bekannt als Moderator der ARD-Satireshow Extra3 und als Gegenpart von Oliver Welke in der Heute-show, wurde in der ausverkauften Kulturfabrik warmherzig vom Publikum empfangen. Die Krefelder mögen ihren bekanntesten Kabarettisten mit seinem großen Herzen für Kinder. Und sie schätzen die geschliffen-scharfe Zunge des Satirikers, der selbst vor Auseinandersetzungen mit Politikern wie Erdogan und Alice Weidel („Nazischlampe“) nicht zurückschreckt. Ein guter Mensch mit böser Zunge. Sein neues Soloprogramm „Stand jetzt“ ist eine hochaktuelle, persönliche Analyse zur Lage der Nation nach der Zeitenwende – hintergründig, politisch und mit viel schwarzem Humor. Ehring wechselt zwischen ernst und komisch, bleibt aber stets standhaft und authentisch. Kein Verbiegen seiner Überzeugung, aber auch keine Bevormundung anderer, vielmehr Denkanstöße für das Publikum, indem er sich selbst seinen Ängsten stellt. „Sind die Zeiten, in denen man sich behaglich in seiner Blase eingerichtet hat in der Illusion, dass alles schon weitergehen würde wie bisher, vorbei? Ist die Zukunft überhaupt noch planbar?“

„Lass dein Glück die Benchmark deiner Träume sein“

Stand jetzt sei Politik nur noch hektische Schadensbegrenzung. Was passiert mit der Ampel? Plant Boris Pistorius gar einen Militärputsch? Aufregen kann er sich über Sarah Wagenknecht, die Putin ständig verteidige, er müsse doch sein Gesicht wahren. Wer sei denn zuständig für Putins Gesicht? „Von mir aus gerne die Klitschko-Brüder“, trifft er den Nerv des Publikums. Vor allem beklagt er die fehlende Moral in der Politik. „Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger kommt mit seiner Nummer tatsächlich unbeschadet durch“, kommentiert er dessen Antisemitismus-Affäre. „Das macht mich wahnsinnig, als Satiriker nur noch schnelllebige Just-in-time-Geschichte interpretieren zu müssen.“

Um selbst noch den Überblick zu behalten, schreibt Ehring Tagebuch und führt zwei Kladden. In einer notiert er Gedanken, bei denen für ihn Klarheit besteht, in der anderen solche, über die er noch einmal nachdenken muss. Ebenfalls Teil seiner Orientierung sind seine Nachbarn Shanti, die friedensbewegte Yoga-Anhängerin, und Ehemann Rolf, die ihre bürgerlichen Berufe aufgegeben haben und durch eine „hochqualifizierte viermonatige Ausbildung zu Experten“ mutiert seien und jetzt als Coach arbeiten. Lebensmotto: „Lass dein Glück die Benchmark deiner Träume sein.“ Jeder könne sein Mindset für sein eigenes glückliches Leben entwickeln. „Ich hasse all diese Fremdwörter und wer bei mir Mindset sagt, fliegt sofort raus“, kennt Ehring keine Gnade gegenüber dem Paar, das ihm zu viel negatives Denken vorwirft und ihn von seinen Depressionen befreien will. Musikliebhaber Ehring greift während des Abends immer wieder in die Klaviertasten und intoniert: „Ich habe keine Depressionen und wenn, würde ich wie andere ein Buch schreiben.“ Es sei umgekehrt. Positives Denken führe zu Depressionen. „Die größten Entwicklungen der Menschheit hätte es nie gegeben, wenn sich Einstein im Whirlpool entspannt hätte, anstatt konzentriert nachzudenken“, so Ehring. Eine Infantilisierung der deutschen Sprache wirft er auch Olaf Scholz vor. „Wir müssen zusehen, dass wir vom Reden ins Doing kommen“ oder auch der „Doppel-Wumms“ seien Beispiele dafür. „Warum müssen wir mit Leuten reden wie mit Kleinkindern?“

Seine Tochter animiert ihn, statt zu stänkern, endlich zu handeln

Ehrings Blick in die Zukunft ist nicht gerade motivierend. Stand jetzt laute die Frage: „Bleibt die Stimmung so gedrückt“ oder gar „Schaffen wir uns selber ab?“ Nicht einmal mehr auf die Kirche sei Verlass. Die werde selbst in Köln bald ein Fall für den Sektenbeauftragten nach dem Skandal um Kardinal Woelki. Immerhin stände mit der geplanten Seidenstraße, die in Duisburg enden solle, ein Highlight ins Haus. Die aktuelle Meldung laute dann, dass der Zug aus Dortmund in einer Stunde ankomme und der aus Peking ebenfalls – bei gleicher Abfahrtszeit. Am Ende seines Solos zeigt sich Ehring betroffen, dass Shanti und Rolf wegen ihm und seiner negativen Aura ausziehen. Auch seine 20-jährige Tochter animiert ihn, statt zu stänkern, endlich zu handeln. „Wenn du die Straßenkleber gut findest, kleb‘ dich mit ihnen auf die Straße.“ Der Abend in der Kufa endet, wie er begonnen hat. Mit einem Riesenapplaus.