„Ich danke dir, Muckel!“

SPD verabschiedet Siegmund Ehrmann sehr persönlich und emotional in der Volkshochschule.

Foto: Mark Mocnik

Diese Veranstaltung ist das vielleicht beste Zeugnis für die politische Leistung des Siegmund Ehrmann. Dem 65-Jährigen ist es in 15 Jahren Abgeordnetentätigkeit gelungen, den so heterogenen Wahlkreis mit dem Norden Krefelds sozialdemokratisch zu einen. Von den fast 200 Gästen in der Krefelder Volksschule sind mehr als die Hälfte aus Moers und Neukirchen-Vluyn angereist, um „ihren Siggi“ zu feiern, seine Arbeit, aber auch den Menschen Siegmund Ehrmann zu würdigen. Es ist eine würdige Stunde, hoch emotional, aber ohne Pathos. Mit dem besonderen Moment, als Ehrmann sich an seine Ehefrau Ulla wendet und sagt: „Ich danke dir, Muckel!“

Ehrmann bleibt sich auch bei diesem vorerst letzten offiziellen Auftritt treu. Der ganze Rummel um seine Person, spürt man, ist ihm nicht ganz geheuer. Ihm, dem ehemaligen Personaldezernenten bei der Moerser Stadtverwaltung, den die Genossen seinerzeit mindestens zweimal fragen mussten, ehe er sich von einer Kandidatur für den Bundestag überzeugen ließ. Ihm, dem praktizierenden Christen, dem ein großer Teil seiner Sozialisation vom CVJM mitgegeben wurde. Ihm, dem Feingeist, den die Zeitschrift „Das Parlament“ unter der Überschrift „Der Kulturmensch: Siegmund Ehrmann!“ porträtierte.

Ehrmann hat sich sein politisches Leben lang als Moderator verstanden. Als Vorsitzender eines in sich traditionell wenig harmonischen Moerser Stadtverbandes mit drei sehr willensstarken Ortsvereinen. Als, und dies wird auch bei seinem Abschied immer wieder deutlich, einende Instanz im Wahlkreis.

So lenkt Siegmund Ehrmann auch in der Stunde der Lobeshymnen auf ihn die Aufmerksamkeit auf andere. Auf „Muckel“, klar, aber auch auf viele andere Anwesende, denen er sich zu Dank verpflichtet fühlt. Seinen Büroteams zuvorderst, Mentor Karlheinz Morschek, Mitstreitern wie Hans-Gerd Rötters oder — posthum — Uli Hahnen, Unternehmern aus der Region, „die ja nicht unbedingt immer unsere politische Linie teilen“, politischen Mitbewerbern wie der anwesenden CDU-Bundestagsabgeordneten Kerstin Radomski. Und natürlich ist es Ehrmann selbst, der dieser feierlichen Euphorie eine sachliche, nachdenkliche Note verleiht. „Es ist nicht alles Gold, und das muss auch klar formuliert werden. Ich danke all jenen, die mich ge- und auch ertragen haben, für die ich teils auch eine Zumutung gewesen sein muss.“ Ehrmann zeigt sich bedrückt durch die Tatsache, dass der Stimmenvorsprung für die Sozialdemokratie im Wahlkreis von 24 000 Stimmen im Jahr 2002 auf 1800 in 2013 geschrumpft ist. „Und nur zu unseren Gunsten ausfiel, weil Krefeld einen Zuwachs von 3500 Stimmen verzeichnete, sonst wäre der Wahlkreis bereits 2013 gekippt.“ Das tat er dann 2017, da war Ehrmann nicht mehr angetreten.

Zwei, die Ehrmanns Karriere auf ganz unterschiedliche Art und Weise berühren, halten an diesem Vormittag eine Laudatio. Der eine ist Dr. Jürgen Schmude, Moerser und ehemaliger Bundesjustizminister, der Ehrmanns Verdienste für die Region mit dem ihm eigenen feinen Humor würdigt. Schmude verweist auf die Mittel für das Moers Festival oder den Breitbandnetzausbau. „Darauf blicke ich mit anerkennendem Neid, das habe ich selbst nicht geschafft.“

Der andere ist Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer, ein politischer Ziehsohn Ehrmanns und langjähriger Mitarbeiter. Meyer spricht an diesem Sonntag in der VHS gewohnt unterhaltsam, dafür ungewohnt emotional. Deutlich bemüht um das, was ihm ganz offensichtlich so schwerfällt: ein professioneller Abstand zu dem Gewürdigten. Meyer schafft den Spagat und arbeitet heraus, dass der „Christ in politischer Verantwortung“ Ehrmann eben auch einer mit klarer Haltung ist, der keiner noch so unangenehmen Debatte aus dem Weg geht. „Ich erinnere mich an eine Einladung zum Fastenbrechen, als Siggi auf dem Höhepunkt der Armenien-Debatte ein Grußwort vor 1000 muslimischen Krefeldern hielt.“ Ehrmann habe seinerzeit den bequemen Weg gemieden und bewusst und gezielt seine Haltung erklärt. „Unser Siggi“, bekräftigt Meyer, „ist echt.“ Das sei auch der Grund, warum die Menschen ihn mögen.

Und sicher auch für die höchste Auszeichnung, die die SPD zu vergeben hat: die Willy-Brandt-Plakette.