„In Krefeld passiert zu wenig“
Günter Schefflers Geschäft „Pharmacy“ gibt es bereits seit 20 Jahren in Krefeld. Gar keine leichte Aufgabe wie er findet.
Ordentlich gefaltet liegen Hemden, Pullover und T-Shirts auf den Tischen und in den weiß-orangenen Regalen. Jacken und Sakkos hängen zwischen pompösen Pfeilern in Reih und Glied. Und in der Wand mit den Schuhen treffen schicke Boots auf aktuelle Sneaker-Mode. Umrahmt wird das Angebot für Männer von sogenannten Vintage-Möbeln: Ein alter Cola-Automat steht in der einen Ecke, ein amerikanischer Kühlschrank aus den 50er Jahren in der anderen.
Und ein goldener Barock-Spiegel verrät dem Anprobierenden, ob er der Schönste im ganzen Land ist.
Der Laden von Günter Scheffler am Südwall ist mit seinen 500 Quadratmetern und zehn Meter hohen Decken ziemlich weiträumig. Kein Wunder, war hier einst das Artriumkino angesiedelt. Weil Scheffler das Gebäude mit seinem alten Charme gefiel, setzte er sich in den Kopf, gemeinsam mit seiner Frau Birgit dort ein Ladenlokal für Skate- und Streetwear zu eröffnen. „Wir gehörten in den 90er Jahren mit unserem Laden ’Pharmacy’ zu den Platzhirschen in NRW in puncto Skate- und Streetwear“, erzählt der 53-jährige Ladenbesitzer. Doch diese Zeiten sind längst passé. Das Interesse der Kunden änderte sich, der Boom ebbte ab und die weiten Skaterhosen sowie Mützen verschwanden aus den Regalen. Um am Puls der Zeit zu bleiben, musste ein neues Konzept her. Scheffler überlegte, feilte an seinen Ideen. Nun konzentriert er sich mit seinem „Concept Store“ seit einigen Jahren auf „außergewöhnliche Produkte“, wie er sie nennt.
Die Waren kämen aus Skandinavien und Australien — vieles davon aus Fair-Trade-Handel. „Wir bieten aber auch einige Produkte von lokalen Anbietern an, die es unter anderem nur bei uns gibt“, erzählt er. Darunter Gin oder Pullover, die in Krefeld hergestellt werden. „Man muss neue Wege gehen und offen für Veränderungen sein“, sagt Scheffler. „Wenn wir vor einigen Jahren das Konzept nicht geändert hätten, würde es uns jetzt wahrscheinlich nicht mehr geben“, ist sich der 53-Jährige sicher. Er möchte nicht, dass sein Laden zu einem der vielen Leerstände in der Innenstadt wird, deshalb lässt er sich immer wieder etwas Neues einfallen. „Doch wie bringt man die Leute dazu, in die City zu kommen? Was gibt es hier in Krefeld eigentlich?“, fragt Scheffler.
Er bemängelt, dass der Innenstadt das gewisse Etwas fehle. In anderen Städten gäbe es Trendviertel oder hübschere Innenstädte, die aufgrund von Cafés, Restaurants oder Boutiquen ein „gewisses Flair“ versprühten und zum Verweilen einladen würden. Doch in Krefeld? „Hier gibt es entweder viele Kioske, Handy-Läden oder nur große Ketten, die kaum Besonderes bieten. Bei Textilien lautet das Motto: je billiger, desto besser. Warum sollte also jemand überhaupt nach Krefeld kommen, wenn er dasselbe auch überall anders bekommen kann? Vor allem im Internet!“ Er wirkt verärgert, obwohl sein Laden am Wochenende immer gut besucht ist und ihm die Stammkunden die Treue halten. Diese Tatsache kann seinen Unmut jedoch nicht besänftigen. Seit vielen Jahren beobachte er „das Dilemma des Einzelhandels“ und macht sich Gedanken über „eine Verödung der Innenstadt“.
Einen Schuldigen dafür nennt er auch: das Internet. „Erstens: Warum sollte sich jemand in die Innenstadt mit ihren bescheidenen Parkplatzmöglichkeiten quälen, wenn er online alles besorgen kann?“ Persönlicher Kontakt sowie Beratung würden dann zwar fehlen, aber viele Kunden würden dies in Kauf nehmen — vor allem wegen der günstigeren Preise. Für Einzelhändler ein Todesstoß, lebt der Einzelhandel doch von der individuellen Bedienung.
Als zweiten Punkt nennt Scheffler die Schnelllebigkeit der Konsumgesellschaft, die auf Instagram oder Blogs immer nach neuen Trends sucht. „Wir haben immer versucht, der Zeit voraus zu sein. Deshalb ist es wichtig, aktuelle Trends zu beobachten. Aber in Krefeld gestaltet sich das echt schwierig.“
Scheffler hat Ideen, versucht sie immer umzusetzen oder Lösungen für Probleme zu finden. Dafür spricht sein 20-jähriges Bestehen auf dem Südwall. Allerdings passiert seiner Meinung nach „in Krefeld zu wenig“. Trotzdem kämpft er weiter. Und hat vielleicht irgendwann eine zündende Idee für seine Stadt.