Wirtschaft in NRW Industrie und Handel: Die Lage ist bitter, aber es gibt Hoffnungsmomente

Krefeld · Die Situation wird so schlecht bewertet wie 2009, die meisten rechnen damit, dass sie sich erst im nächsten Jahr verbessert.

Prognose:Homeoffice wird in Teilen auch nach der Krise bleiben.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Man kann auch mit den Worten Tiefpunkt und Krise optimistisch klingen. Die Industrie- und Handelskammern (IHK) Düsseldorf und Mittlerer Niederrhein haben dies mit dem Titel ihres Konjunkturberichts für diesen Sommer geschafft: „Tiefpunkt der Krise erreicht?“ Das impliziert mindestens die Möglichkeit, dass die wirtschaftliche Lage bald wieder besser wird.

Die Zahlen, die die Umfrage bei knapp 800 Betrieben mit rund 75 000 Beschäftigten in der Region ergeben haben, implizieren dies auf den ersten Blick weniger. Sie sind überwiegend Rot oder stehen am Ende einer Kurve, die sich ziemlich senkrecht nach unten neigt. Alle Branchen sind betroffen, am schwersten Dienstleister, Teile des Einzel- und der Großhandel. 18 Prozent aller befragten Unternehmen bezeichnen ihre Geschäftslage als „gut“, 45 Prozent als „schlecht“. Das ergibt ein Minus von 27. Bei den Erwartungen für die nächsten zwölf Monate liegt der Wert sogar fast bei minus 30 – beides ist in den oben stehenden Kurven zu erkennen. Die Krefelder Werte liegen im Vergleich mit dem Durchschnitt in der Region etwas besser, bei minus 22 (Lage) und minus 27 (Erwartungen). So oder so, mit diesen Zahlen ist etwas Positives verbunden – so wie sich im Bericht an weiteren Stellen Momente der Hoffnung finden lassen.

Homeoffice wird in Teilen auch nach der Krise bleiben

Das Gute an den negativen Zahlen bei Geschäftslage und -erwartungen: Sie bilden mit einer Ausnahme (die Kapazitätsauslastungen der Industrie liegen bei 70,8 Prozent) keinen historischen Tiefstand. Sie erreichen ein ähnliches Niveau wie in der Krise 2009, der Wert bei den Erwartungen lag damals sogar deutlich tiefer, bei minus 60. Noch gilt also, dass es vor elf Jahren schlimmer war. „Aber eine zweite Welle würde die Wirtschaft massiv schädigen. Dann müssten wir die Einordnung im Vergleich zu 2009 neu definieren“, sagte Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch.

Zu den weiteren positiven Aspekten gehören die Lerneffekte: Die Unternehmen hätten einen massiven Digitalisierungsschub erlebt, der in dieser Form bis vor kurzem noch nicht vorstellbar gewesen sei, sagte Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Deshalb gehören IT- und Telekommunikationsfirmen zu den wenigen Gewinnern unter den Dienstleistern, während der Rest der Branche, also Gastronomie, Tourismus-, Freizeit- und Unterhaltungsfirmen, leidet. Die Unternehmen hätten zudem neue Strukturen für sich entdeckt, etwa das Arbeiten im Homeoffice. Mindestens Teile davon blieben auch nach der Krise, sagte Berghausen.

Außerdem haben die Unternehmen ihre Lieferketten überdacht. Die längsten roten Balken finden sich bei den Umfrageergebnissen zu den Exporterwartungen. 55 bis 65 Prozent der Unternehmen in den verschiedenen Branchen haben diese Erwartungen als schlechter oder schlecht bezeichnet. Dies und das Wissen, dass andere Länder noch stärker von der Corona-Krise betroffen sind und sich deshalb stärker abschotten, haben zu dem erwähnten Umdenken geführt. „Wir erleben eine Re-Nationalisierung und eine Diversifizierung der Lieferketten“, sagte der Düsseldorfer IHK-Geschäftsführer Berghausen.

Es gibt noch ein bisschen Licht in dem vielen Schatten: Dem hiesigen Baugewerbe geht es verhältnismäßig gut. Es profitiert von einem starken „Nachfragepolster“, Investitionen und Beschäftigung bleiben stabil. „Halbfertige Bauruinen sind in unserer Region nicht zu erwarten“, sagt Gregor Berghausen. Das Baugewerbe hat deshalb auch das erwähnte historische Tief bei den Auslastungen von Anlagen und Maschinen noch abgemildert, weil es immerhin noch auf 82 Prozent Auslastung kommt.

Nur zehn Prozent der Betriebe wollen zusätzlich einstellen

Bei allem Bemühen um eine optimistische Sichtweise muss eines aber noch erläutert werden. Die Auftragslage hat sich deutlich zurückentwickelt. 70 Prozent der Betriebe berichten über weniger Auftragseingänge, nur etwa zehn Prozent verbuchen eine steigende Zahl von Aufträgen. Die daraus resultierenden schlechten Werte bei den Geschäftserwartungen und die Tatsache, dass nur drei Prozent der Befragten keine Geschäftsrisiken für ihren Betrieb sehen, haben eine logische Konsequenz: Die Unternehmen sparen merklich, bei den Beschäftigten und bei den Investitionen. Der Prozentsatz der Unternehmen, die die Zahl der Beschäftigten senken muss oder möchte, hat sich verdoppelt auf 32 Prozent, die Zahl derer, die zusätzlich einstellen wollen, ist von 21 auf zehn Prozent gefallen. Auch in diesem Punkt stehen die Krefelder Betriebe etwas besser da als die Region: Hier rechnet ein knappes Drittel der Befragten damit, dass sich die Mitarbeiterzahl reduziert, und immerhin jeder achte Betrieb möchte zusätzliche Stellen schaffen.

Zu Beginn dieses Jahres gab lediglich jedes fünfte Unternehmen an, im Inland weniger investieren zu wollen. Dieser Wert ist nun sprunghaft auf 45,6 Prozent der Befragten hochgegangen. Kapazitätserweiterungen und Umweltschutz sind merklich seltener Anlass für Investitionen, Rationalisierungen, Ersatzbedarf und Innovationen sind die genannten Hauptgründe. Letzteres fällt dann nochmal unter die ganz vorsichtig optimistisch stimmenden Punkte des Konjunkturberichts.