Integration: „Wir brauchen Lehrer, die wollen“
Kinder und Jugendliche mit Behinderung sollen ab 2013 Regelschulen besuchen können: Gespräch mit dem Schulrat.
Krefeld. Die Schullandschaft ist im Umbruch. Zum einen geht es um die Regelung künftiger Schulformen, zum anderen um ein Thema mit ungleich größerer Brisanz: Die Umsetzung der UN-Konvention zur Inklusion in der Schule. Inklusive Bildung bedeutet, dass Kinder mit Behinderung Recht auf den Besuch einer Regelschule haben. Rund ein Fünftel des Landes befindet sich dafür zurzeit in einem Schulversuch — ein Versuch, der laut Abkommen gelingen muss. Krefeld ist dabei eine von 14 Pilotregionen in NRW.
Während Integration die Eingliederung von Schülern mit Behinderungen anstrebt, sortiert die inklusive Pädagogik erst gar nicht aus. „Inklusion bedeutet, dass Strukturen und Didaktik von vorneherein auf die Unterschiedlichkeit der Schüler sowie auf individuelles Fördern und Fordern ausgerichtet sind“, sagt Johannes Mulders, Krefelder Schulrat für Förderschulen und Kompetenzzentren. Menschen mit Behinderungen, gleich welcher Art, haben laut UN-Konvention einen Anspruch auf volle Teilhabe an der Gesellschaft.
Voraussetzung dafür ist die verstärkte Integration von Behinderten in das allgemeine Schulwesen von der ersten bis zur letzten Klasse, durchgängig durch alle Schulformen. „Schulkonferenzen haben in diesem Fall kein Vetorecht.“ Bis 2012/13 sollen die Strukturen aufgebaut sein. „Damit das Vorhaben gelingt, ist für eine solche Schule vor allem eine Veränderung in den Einstellungen nötig; bei Lehrern, Eltern und auch bei den Schülerinnen und Schülern.“
Das gelingt nicht auf Knopfdruck. „Zurzeit heißt es, Gespräche führen, Ängste nehmen und Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Mulders. „Es ist wichtig zu wissen, dass alle Kinder, behinderte und nichtbehinderte, vom Gemeinsamen Unterricht (GU) profitieren; vor allem im Sozialverhalten.“
Auf der anderen Seite müssten Sorgen und Ängste aller Beteiligten ernst genommen werden, erklärt der Fachmann weiter.
So dürften beispielsweise die Lehrer nicht mit den zusätzlichen Aufgaben alleine gelassen werden. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umwandlung sind Fortbildungen für Pädagogen, ausreichende Stellen für die Sonderpädagogik, aber auch die Bereitschaft, sich aus innerer Überzeugung diesem Projekt zu stellen. „Wir brauchen Lehrer, die wollen.“
Diese Bereitschaft müsse insbesondere in der Sekundarstufe I wachsen, sagt Mulders. Beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen gebees landesweit derzeit einen Bruch; die Integrationsquote sinke von 23 auf rund 10 Prozent. „Krefeld besitzt bereits ein solides Netzwerk von allgemeinen Schulen mit gemeinsamem Unterricht“, findet Mulders. In zwölf Grundschulen mit integrativem Unterricht gehen insgesamt 168 förderbedürftige Kinder; an drei Hauptschulen sind integrative Lerngruppen durchgängig durch alle Klassen eingerichtet, die 117 Kinder besuchen. Auf die gesamte Schule verteilt, sind das die geplanten drei bis fünf behinderten Schüler pro Integrationsklasse.
Der Gedanke des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und Nichtbehinderten wird über die Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung in die Schulen getragen. In Krefeld sind dies die Franz-Stollwerck-Schule, die Schule am Uerdinger Rundweg und die Erich Kästner-Schule. Alle sind ausgerichtet als Förderschule Sprache, Lernen, emotionale und soziale Entwicklung.
„Nur in Krefeld haben wir die gute Trennung, die Franz-Stollwerck-Schule für die Primarstufe zu haben und die beiden anderen für die Sekundarstufe I“, sagt Johannes Mulders. In den Kompetenzzentren werde nicht nur unterrichtet, sondern auch Diagnostik, Beratung und Prävention für die Schulen betrieben.