Integrationswahlen: „Ich darf dreimal wählen — ist das nicht ungerecht?“

Wahltag naht mit Riesenschritten: Doch nicht allen Migranten ist bekannt, wer an der Integrationsratswahl teilnehmen kann.

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Krefeld. Nesim Akcan lebt seit mehr als 20 Jahren in Krefeld. Der Kurde aus dem fernen Osten der Türkei hat in Köln einige Semester Jura studiert, ehe er Geschäftsmann wurde. Als ihn die WZ in seinem Mini-Markt am Ostwall auf die ersten Krefelder Wahlen für einen Integrationsrat hinweist, ist er irritiert: „Ich habe einen deutschen Pass. Bin also kein Ausländer. Warum kann ich neben Bezirksvertretern, Stadträten und EU-Parlamentariern auch noch einen Integrationsrat wählen? Ich darf dreimal wählen, Sie nur zweimal. Ist das nicht ungerecht?“ Der Mann ist nicht der einzige irritierte unter den Krefeldern mit „Migrationshintergrund“.

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Bei Familienvater Akcan, seiner Frau und seinen beiden Kindern (alle schon lange Deutsche) zieht Artikel 116, Absatz 1, des Grundgesetzes: Danach sind „nicht Deutsche“ auch die, die die Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erworben haben. Oder urdeutsche Frauen, die nach der Heirat die Nationalität ihres Mannes angenommen haben. Oder Spätaussiedler, die nach dem Staatsangehörigengesetz zu Deutschen (mit dem Pass ihrer früheren Nationalität) geworden sind.

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Alle „nicht Deutschen“ dürfen am 25. Mai einen von 42 vorgeschlagenen Kandidaten für die zehn „freien“ Plätze des künftigen Integrationsrates wählen.

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Die neun anderen sind Mitglieder des Stadtrates, der die Kommunalpolitiker in den künftigen Integrationsrat entsendet. Das darf so sein, muss es aber nicht. Zumal der Anteil an „Entsandten“ in Krefeld größer ist als anderswo. In Dortmund zum Beispiel können zwei Drittel der Integrationsratsmitglieder gewählt werden.

„Vielleicht wären ganz normale Bürger geeigneter für den Integrationsrat als parteigebundene Politiker“, meint Christoph Bönders (63), für die Grünen seit 1984 in der Kommunalpolitik und Vorsitzender des derzeitigen Integrationsausschusses. Der hat weniger Befugnisse als der künftige Rat, von dem man heute allerdings noch nicht sagen kann, wie sich darin Mehrheiten bilden werden und ob sich die städtische Ausländerbehörde auch tatsächlich an Beschlüsse dieses Gremiums halten wird.

Mit 14 zugelassenen Wahlvorschlägen ist die „Türkisch-Islamische Union“ mit dem Rechtsanwalt Erol Keskin an der Spitze die größte Gruppe. Auf einen schwierigen Platz fünf hat die Union Mehmet Demir gesetzt, den die CDU im Wahlbezirk Dießem/Lehmheide als Kandidat ins Rennen schickt, am 25. Juli also zweimal gewählt werden könnte. Die Stimmen der Eingewanderten werden übrigens erst am Montag gezählt — damit es nicht zum Durcheinander kommt.

Nesim Akcan und eine „kurdische Initiative“ in Krefeld unterstützen eine andere türkische Gruppierung, die „Demokratische Liste“. Obwohl sie mit rund 4000 Vertretern die zweitgrößte Volksgruppe in Krefeld sind, gibt es keinen kurdischen Kandidaten. Obwohl es durchaus kurdische Wünsche an die Kommunalpolitik gibt — etwa Unterrichtsstunden in der Muttersprache. Es scheint, als hätten die Kurden die Integrationswahl „verschlafen“.

Der älteste Kandidat für den Integrationsrat ist von den Grünen aufgestellt worden: Karikaturist Jari Banas, bald 64, und immer noch Finne, dem die „Finnisierung“ Krefelds einfach nicht gelingen will. Er steht auf dem seiner Meinung nach „chancenlosen“ Listenplatz vier und damit drei Plätze vor Christoph Bönders. „Ich bring mich hier seit 40 Jahren in den Kulturbetrieb ein, zwar bewusst nicht für die Stadt Krefeld, sondern für die Menschen hier im Torf“, witzelt Jari. „Aber es soll keine Parallelkultur entstehen“, sagt der politikkritische Comic-Zeichner, der „Jarikaturen“ zur kürzlich erschienenen „Chronik der Krefelder Skandale“ beigesteuert hat.

Jari will auch nicht als Quoten-Finne gelten. „Ich besuche einen deutschen Freund im Knast — besoffen vom Fahrrad gefallen — und lege meinen finnischen Pass an der Pforte vor. Sagt der Beamte: ,Finnen sind unsere Freunde’. Ich: Schreck, sind so viele Landsmänner hier?“

Eine noch unbekannte Gruppe ist die der „Griechen für Krefeld“ mit dem Betriebswirt Ioannis Simeonidis an der Spitze. Diese Liste hat neun Wahlvorschläge eingereicht. Als „Grieche für Krefeld“ kandidiert auf dem aussichtslosen Platz acht der Masseur Franz-Josef Klapdor aus dem Südbezirk. Eine ebenfalls Unbekannte in der Krefelder Politik ist noch die „Alternative für Deutschland“ mit drei Kandidaten, an der Spitze die Lehramtsanwärterin Hülya Saritas.

Die vollständige Liste aller zugelassenen Wahlvorschläge ist im Krefelder Amtsblatt vom 30. April zu finden. Im Internet: www.krefeld.de