Rund 400 Krefelder Geschäfte in Gefahr Jeder fünfte Händler steht wegen Coronakrise vor der Pleite

Krefeld · Seit einigen Tagen dürfen alle Geschäfte wieder ohne Beschränkung öffnen. Dass die Coronakrise im Krefelder Einzelhandel tiefe Spuren hinterlassen wird, ist dennoch allen Beteiligten klar. Aber wie groß fällt das Minus aus?

Sauber wie selten: der Neumarkt in der Innenstadt. Große Lust zum Bummeln und Verweilen haben die Krefelder aber noch nicht. 

Foto: Andreas Bischof

Der Einzelhandel atmet auf. Seit einigen Tagen dürfen alle Geschäfte wieder ohne Beschränkung der Verkaufsfläche öffnen. Zudem besteht die Chance, rund um das Shoppen ins Restaurant oder Café zu gehen. Dabei gelten allerdings unverändert strenge Auflagen in Sachen Hygiene und Abstand. Trotzdem hoffen alle, dass sich die Lockerungen positiv auf die Kauflaune auswirken.

Dass die Coronakrise im Krefelder Einzelhandel tiefe Spuren hinterlassen wird, ist dennoch allen Beteiligten klar. Aber wie groß fällt das Minus aus? „Für eine fundierte Einschätzung ist es eigentlich zu früh“, sagt Markus Ottersbach, Geschäftsführer des Handelsverbandes Krefeld-Kempen-Viersen. „Niemand weiß, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Im schlimmsten Fall müssen die Geschäfte wieder schließen.“ Die Ergebnisse der vorliegenden Umfragen seien in jedem Fall ernüchternd. „Beim Umsatz werden den Geschäften am Jahresende im Schnitt mindestens 20 bis 25 Prozent fehlen“, so Ottersbach.

Für zahlreiche Läden ist das nicht zu verkraften. Handelsexperten schätzen, dass wegen Corona jeder fünfte Händler vor der Pleite steht. Ottersbach widerspricht nicht. Für Krefeld bedeutet das: Von den rund 600 Geschäften im erweiterten Innenstadtbereich droht 120 das Aus. Wer die Stadt mit insgesamt rund 2000 Einzelhandelsgeschäften in den Fokus nimmt, muss sogar mit 400 Insolvenzen rechnen.

Verband fordert Coronaschecks von 500 Euro pro Kopf

Angesichts solcher Perspektiven fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) Hilfe von der Politik, zumal die Konsumstimmung in der Republik von einem historischen Tiefststand zum nächsten eilt. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: „Der Handel braucht einen staatlichen Rettungsfonds.“ Um die Konsumstimmung wieder anzukurbeln, macht sich der HDE zudem für die Ausgabe von Coronaschecks in Höhe von 500 Euro für jeden Einwohner stark. „Die Binnenkonjunktur braucht einen deutlichen Impuls. Dann kann der Konsum wieder wie in den Vorjahren der Stabilitätsanker für die gesamte Volkswirtschaft sein“, so Genth.

Ein ähnlicher Vorstoß kommt von den Grünen. Sie fordern einen Kauf-vor-Ort-Gutschein für alle Einwohner. In einem Positionspapier heißt es, jeder solle einen Gutschein im Wert von 250 Euro erhalten – dieser könne „nur im stationären Handel, für stationäre Dienstleistungen oder in der Gastronomie“ eingelöst werden. Ausgenommen seien Geschäfte, die nicht vom Shutdown betroffen gewesen seien. Der Gutschein dürfe zudem nicht im Onlinehandel verwendet werden.

Die Grünen fürchten ein großes Ladensterben als Folge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Die „notwendigen Einschränkungen“ hätten schwerwiegende Folgen für Läden in Innenstädten oder auf den Dörfern. „Wenn jetzt nicht politisch gegen gesteuert wird, droht eine Verödung von Innenstädten und ein Aussterben von Dorfkernen“, heißt es in dem Schreiben.

Als Vertreter des Handels begrüßt Ottersbach solche Initiativen. Er sorgt sich aber auch um die Finanzierung. „Am Ende müssen wir Steuerzahler das auch stemmen können.“

Christoph Borgmann findet es uneingeschränkt richtig, die Konsumfreude der Verbraucher anzuregen. „Das ist dringend notwendig“, sagt der Chef der Werbegemeinschaft. „Es braucht Impulse. Vermutlich müssen wir alle noch lange mit dem Mund-Nasen-Schutz leben. Und das nervt die Kunden und unsere Mitarbeiter schon gewaltig.“ Derzeit seien die Verbraucher vorsichtig. Niemand wisse, wie lange diese Krise anhalte. „Gekauft wird nur das, was fehlt. Lustkäufe gibt es nicht“, sagt Borgmann.

Projekt heimatshoppen.kr beschert viele Kundenkontakte

Dass wegen Corona alles schlecht läuft, will der Inhaber eines Sportgeschäftes an der Königstraße aber nicht behaupten. „Wir haben unseren Onlineverkauf in den vergangenen Wochen verfünffacht. Es hat eine wahre Explosion gegeben“, berichtet Borgmann. Jeder Händler müsse sich kümmern, um digital fit zu werden. Ohne eine Präsenz im Netz werde es für den stationären Handel keine gute Zukunft geben. Als vorbildlich lobt Borgmann das Projekt heimatshoppen.kr, das den Geschäftsleuten auch in der Krise über Social-Media-Kanäle Kundenkontakte verschaffe. Diese Einschätzung teilt Markus Ottersbach. „Corona ist der allerletzte Weckruf für jeden Einzelhändler, sich mit den Chancen des Internets zu beschäftigen.“

Dennoch: Beide Fachleute wissen, dass der analoge Einkauf im Laden das Rückgrat des Geschäftes bleibt. Ottersbach fordert deshalb von der Stadt, die gesetzlichen Möglichkeiten für verkaufsoffene Sonntage zu nutzen. „Hier bieten sich Chancen, die Innenstadt stärker als Raum für schöne Erlebnisse und Begegnungen in den Fokus zu rücken.“ Und Borgmann ergänzt: „Wegen Corona hatte die Stadt Gelegenheit, den Neumarkt zu reinigen. So sauber war der Platz lange nicht mehr.“