Der Häftling und sie Krefelderin schreibt mit einem Todeszellen-Häftling in USA

Krefeld · Cesar Roberto Fierro saß 40 Jahre in der Todeszelle. Monika Suchan schrieb mit ihm immerfort Briefe. Nun ist er frei.

Monika Suchan hat während ihrer jahrzehntelangen Brieffreundschaft mit Todeskandidat Cesar Roberto Fierro unzählige Briefe hin- und hergeschickt. Jetzt ist er entlassen worden.

Foto: Andreas Bischof

Mehr als ihr halbes Leben hat Monika Suchan mit einem Mann geschrieben, den sie nie persönlich gesehen und nie gesprochen hat. Sie schickte ihm Briefe, sie sprach ihm Mut zu, sie hoffte auf seine Freisprechung, sie stand ihm immer zur Seite.

Zu Weihnachten und zu seinem Geburtstag ließ sie ihm auch Geld zukommen. Doch zu Gesicht bekommen hat sie Cesar Roberto Fierro nie. Ob sich das in den nächsten Jahren ändert, ist offen. Zumindest aber ist der Mexikaner nun ein freier Mann. Das hat Monika Suchan Ende April aus einer Email des mexikanischen Filmemachers Santiago Esteinou erfahren, mit dem sie im Kontakt steht. Die Mail liegt der WZ vor. Fierro warte nun auf seine Abschiebung in seine Heimat Mexiko, so schreibt der Regisseur am 28. April – 40 Jahre hat Cesar Roberto Fierro in der Todeszelle gesessen. Ein paar Wochen werde er wohl in Mexiko-Stadt wohnen, dann wolle Fierro nach Juarez ins Casa del Migrante, eine katholische Schutzeinrichtung für Einwanderer. „Ich bin sehr zufrieden. Ich habe immer an seine Unschuld geglaubt“, sagt die heute 81-Jährige, die in Krefeld lebt.

„Ich habe mich immer innerlich sehr mit ihm beschäftigt“

Cesar Roberto Fierro wurde 1980 angeklagt und zum Tode durch die Giftspritze verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, am 27. Februar 1979 den Taxifahrer Nicolas Castanon in der amerikanischen Grenzstadt El Paso mit einem Komplizen ausgeraubt und erschossen zu haben. Sein Geständnis, das er später abgab, sei erzwungen worden, so hätte er vor Gericht gesagt, berichtet die Zeitung El Paso Times. Seine Verteidiger hatten dem Bericht zufolge das Bild eines fürsorglichen Mannes aus ärmlichen Verhältnissen gezeichnet, der zwar Drogen und Alkohol zugeneigt war, aber hilfsbereit zu seinen Eltern. Ein guter Vater für seine Kinder, religiös und künstlerisch beschlagen. Mehrere Vollstreckungstermine saß Fierro ab. Einige Male blickte er dem Tod ins Auge, doch immer wieder gab es Aufschübe, juristische Interventionen.

„Ich habe mich immer innerlich sehr mit ihm beschäftigt und mich gefragt: Wie kann ich ihm helfen? Was ist jetzt wichtig für ihn?“, sagt Suchan, die bis 1986 für die Menschenrechts-Organisation Amnesty International aktiv war und die Patenschaft für Fierro übernommen hatte: „Ich habe ihm Mut gemacht, habe ihm immer wieder gesagt: ‚du bist unschuldig, du kommst wieder frei.‘ Ich habe ihm viel über mich erzählt. Er war einige Male drauf und dran sich umzubringen. Er kennt mich jetzt wohl besser als ich ihn.“ Suchan stammt aus Schlesien, floh 1956 aus Thüringen nach Westdeutschland. In Heidelberg studierte sie, wurde Russisch-Lehrerin. Seit 1965 lebt sie in Krefeld.

„Er wird nie richtig frei sein,
nicht nach den 40 Jahren“

Der Fall ist für Monika Suchan klar: „Das war eines der vielen Fehlurteile in den USA“, sagt sie. Die Krefelderin hat einen dicken Ordner voller Briefe, der jahrzehntelange Schriftwechsel mit ihm, seinen Anwälten und dem Regisseur Santiago Esteinou ist dokumentiert. Auch den Film „Los anos de Fierro“, die Jahre des Fierro, den Esteinou 2013 über den Häftling im Gefängnis gedreht hatte, hat Monika Suchan nun bei sich. „Es war unglaublich, als ich ihn da gesehen habe, sehr bewegend.“ Heute sei Fierro ein schwer gezeichneter Mann nach 40 Jahren im Gefängnis, erzählt Monika Suchan. Die 81-Jährige möchte den Kontakt zu ihm baldmöglichst wieder aufnehmen, doch erst einmal will sie abwarten: „Ich werde ihn jetzt erst einmal in Ruhe lassen. Er muss sich an das neue Leben erst einmal gewöhnen“, sagt sie.

Cesar Roberto Fierro ist heute Anfang 60. Monika Suchan glaubt nicht daran, dass er noch einmal ein ganz normales Leben führen wird wie alle anderen: „Er wird nie richtig frei sein, nicht nach den 40 Jahren, nach dem, was er alles erlebt hat.“