Jugendhilfe: Pflegefamilien helfen Kindern
Mitarbeiter des Fachbereichs Jugendhilfe sind auf der Suche nach geeigneten Eltern. Wichtig sind Förderung und Pflege.
Krefeld. Der Sitzungssaal des Bockumer Rathauses ist an diesem Morgen zweckentfremdet. Dort, wo sonst politische Entscheidungen kontrovers diskutiert werden, herrscht großes Gewusel und ab und zu Zwist um Legosteine. 14 Pflegeeltern sind mit ihren 20 kleinen Kindern zum Gedankenaustausch beim Frühstück gekommen. Parallel dazu stellen Mitarbeiter des Fachbereichs Jugendhilfe ihre neue Kampagne vor. Sie trägt das Motto: „Kinder suchen Pflegeeltern.“
„Wir können gar nicht genug Pflegeeltern haben“, sagt Sozialdezernent Roland Schiffer. „In einer Familie sind die Kinder deutlich besser aufgehoben als in einem Heim. Dort erhalten sie Liebe und Fürsorge und erfahren Dinge wie gemeinsames Einkaufen oder in Ferien fahren.“ Da nicht alle Eltern in der Lage sind, ihre Kinder zu versorgen, sei es besser, wenn sie in einer Pflegefamilie aufwüchsen. „Dort erhalten sie die Förderung und Pflege, die sie brauchen.“
Mit der Kampagne wollen die Verantwortlichen Familien für die Vollzeitpflege werben. Familien, Paare, Singles oder Lebensgemeinschaften können geeignet sein. „Diese 24-Stunden-Pflege ist auf längere Zeit angelegt, meist für mehrere Jahre, oft bis zur Volljährigkeit des Pflegekindes“, berichtet Anna-Maria Verbücheln vom Pflegekinderdienst. „Wir lernen die Bewerber im eigenen Umfeld und im Umgang mit den eigenen Kindern kennen, sofern sie welche haben.“
Es dauert rund sechs Monate, bis es zur ersten Vermittlung kommt. Vorher stehen Seminare und strenge Prüfungen der persönlichen Situation an. „Gesundheitsattest, polizeiliches Führungszeugnis und Einkommensnachweise müssen dem Pflegedienst offen gelegt werden. Es dauert, bis die Pflegeeltern angekommen sind.“ Das Kind müsse auch zur neuen Familie passen.
Dieses Verfahren haben auch Markus und Vanessa Schiffer durchlaufen. Sie sind mit ihrem Pflegekind Marvin (Name von der Redaktion geändert) glücklich. „Wir können aus biologischen Gründen keine Kinder bekommen“, erzählt das Paar beim Frühstück. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, doch wir wollten einem Kind, das keinen guten Start hatte, helfen.“ Der Start von Marvin habe so ausgesehen, dass er nach der Geburt sechs Wochen zum Entzug in der Klinik gewesen sei.
Nun wachse der Zweijährige wie ihr eigenes Kind auf. „Wir mussten ein Jahr warten, nachdem wir die Bereitschaft geäußert haben, Pflegeeltern zu werden.“ Markus und Vanessa Schiffer kennen die Geschichte des Kleinen und hoffen, ihn irgendwann einmal adoptieren zu können. „Wir haben die Entscheidung keine Sekunde bereut.“
Die leiblichen Eltern des Kindes haben die Möglichkeit, ihr Kind zu sehen und zu erleben, wie es heranwächst. Verbücheln: „Es ist meist eine schwierige Situation für alle Beteiligten.“ Es gebe so aber auch die Möglichkeit der Rückkehr.
Neben der Vollzeitpflege gibt es die befristete Vollzeitpflege. Hierbei steht von Anfang an fest, dass das Kind nach einem bestimmten Zeitraum wieder in seine Herkunftsfamilie zurückkehrt. Bei der Bereitschaftspflege geht es immer um die Unterbringung von Kindern in akuten Notsituationen für einen begrenzten Zeitraum.
„Traut Euch“, fordert Judith Heisig vom Pflegekinderdienst geeignete Pflegeeltern auf. Sie wird in Zukunft kräftig die Werbetrommel rühren. „Zurzeit gibt es rund 220 Kinder in etwa 180 Familien. Es ist schön, wenn wir Auswahl haben.“
Die Aufwandsentschädigung beträgt pro Kind 600 bis 800 Euro im Monat. Das Kindergeld wird verrechnet. Elternzeit wird in diesen Fällen bei bis zu acht Jahre alten Kindern gewährt. Es sei schön, dass sich manchmal auch ältere Mädchen und Jungen bewusst entscheiden, aus dem Heim heraus und in eine Pflegefamilie zu gehen. „Die meisten Pflegeeltern wollen jedoch kleine Kinder. Ab drei Jahren wird die Vermittlung schwer“, weiß der Dezernent.