Malteser-Krankenhaus Darum üben Uerdinger Ärzte Eingriffe an Toten
Ärzte der Orthopädie des Uerdinger Krankenhauses üben Eingriffe an Leichenteilen. Die Mediziner gewinnen so an Routine.
Aufgereiht auf kleinen Operationstischen stehen ein bräunliches Knie und eine Schulter. Laien verstört der Anblick der Körperteile von Leichen womöglich, die Mediziner des Malteser-Krankenhauses in Uerdingen sehen darin eine Chance. Zu Wochenbeginn war das Medizintechnikunternehmen Arthrex mit einem mobilen OP-Saal im Lkw-Anhänger zu Gast bei den Ärzten der Orthopädie.
Chefarzt Frank Bischof steht im weißen Polohemd vor dem Laster während seine Kollegen in blauen Kitteln an den Körperteilen üben. „Die jungen Assistenzärzte können so grundlegende Eingriffe proben“, sagt Bischof. Routine gewinnen ohne Zeitdruck. Es geht etwa um Verletzungen am Kreuzband oder am Meniskus. Häufig werde an Kunstknochen geübt, doch Leichen seien wesentlich realistischer, so Bischof.
Etwa fünf Eingriffe können die Ärzte pro Körperteil simulieren
Den erfahrenen Kollegen helfe das Trainingszentrum auf Rädern ebenso. Sie können neue Methoden bei den sogenannten Schlüssellochoperationen an Gelenken erproben. Haut und Weichteile sollen bei diesen Verfahren möglichst wenig geschädigt werden.
Dass das OP-Training nach Uerdingen kommt, ist durchaus ein Coup für Chefarzt Bischof. Der Lkw fahre durch ganz Europa und halte normalerweise bei Universitätskliniken oder größeren Häusern. Dass die Kollegen dorthin fahren, ist teuer. Vor Ort passe das Training gut in den Arbeitsalltag.
Oberarzt Johan Engvik hat auf dem Tisch vor sich eine Schulter. „Hier trainieren wir ein Verfahren, die Schulter zu stabilisieren“, sagt er. Mit einem Kollegen muss er filigran arbeiten. Eine kleine Kamera führen sie mit einem extrem schmalen Stäbchen in das Innere des Körpers ein. Das OP-Besteck ist ebenso minimal. „Die Kollegen, die zu Hause an der Konsole spielen, haben sicher einen kleinen Vorteil“, sagt Engvik und lacht. Die Koordination auf den kleinen Tasten schule die Fingerfertigkeit für die Arbeit.
Bischof verfolgt den Eingriff aus zweiter Reihe. Auf einem Monitor über dem Tisch sieht er, wie seine Leute arbeiten. „Tatsächlich sollte so ein Eingriff etwa 30 Minuten dauern“, sagt Bischof: „Hier haben wir etwas mehr Ruhe.“
Alle Ärzte üben unterschiedliche Eingriffe. Fünf, sechs verschiedene Operationen seien an jedem Körperteil möglich, sagt Bischof. Dann sind aber wirklich alle Chancen genutzt. Die Leichenteile hat Bischof am Vortag der Übung tiefgekühlt erhalten und aufgetaut. „Die kommen aus den USA“, sagt der Mediziner. Schließlich stammt der Anbieter des OP-Lasters ebenso aus den Vereinigten Staaten. Wer genau die Spender der Körperteile sind, erfahren die Uerdinger Ärzte nicht.
Während Oberarzt Engvik weiter an der Schulter operiert, legt sich sein Kollege Gökhan Dogan daneben einen Fuß auf den Metalltisch. Er will sich das Sprunggelenk anschauen. Dafür brauche er noch kleineres Besteck, sagt Dogan. In der mobilen Station liegt dieses griffbereit. Für alle Operationen gibt es das Passende, alles ist eng aufgereiht. Bei den realen Eingriffen läge nicht so viel auf dem Tisch, sagt Bischof. Da packen seine Teams nur das Besteck aus, das nötig ist.
Und noch einen Unterschied gibt es zum Einsatz am Lebenden: Die Ärzte können etwas entspannter arbeiten als im Ernstfall. Während hier der eine an der Schulter und der andere am Fuß operiert, debattiert das Team über das Mittagessen. „Sushi oder nicht?“, lautet die Frage, die sich die Profis stellen. Alle anderen haben zum Abendessen sicher wieder Appetit.