Kirchen Das historische Uhrwerk der Friedenskirche hat einen Tick
Krefeld · Wenn es zu kalt ist, geht die Uhr vor, wenn es zu warm ist, geht sie nach. Küsterin Dorla Beth kümmert sich darum, dass die lauteste Glocke Krefelds dennoch pünktlich alle 15 Minuten schlägt.
Die lauteste Glocke in Krefeld schlägt in der Friedenskirche am Luisenplatz. Doch das mannshohe Uhrwerk, das die Glocke jeweils zur ganzen und halben Stunde sowie viertelstündlich ansteuert, hat eine Eigenart. Dorla Beth ist seit 2008 Küsterin und kennt diese mittlerweile ganz genau.
„Wenn ich morgens um 7 Uhr aufstehe, merke ich manchmal, dass die Uhr falsch geht.“ Die 56-jährige Küsterin wohnt direkt an der Kirche und eigentlich müssten sieben Glockenschläge zusammen mit dem Ton des Weckers erklingen. Doch sie lassen sich Zeit in diesen Tagen. Gestern sogar knapp vier Minuten. „Im Winter, wenn es kalt ist, geht die Uhr vor, im Sommer, bei höheren Temperaturen, nach“, sagt die Krefelderin, die seit 1998 auch in der Gemeindeleitung der evangelischen Kirche ist.
Das Holz des Pendels der Uhr reagiert auf die Temperaturen
Die jahreszeitlich schwankenden Temperaturen hinter der riesigen Rosette im unteren Bereich des Glockenturms haben nach Angabe der 56-jährigen Küsterin Einfluss auf das Holzpendel des Uhrwerks. Es zieht sich zusammen – oder dehnt sich aus – und ändert somit die Geschwindigkeit. Die Uhr wechselt somit ihren Takt und verlängert oder verkürzt die Minuten. Vermutlich um Bruchteile von Sekunden, die sich aber Tag für Tag addieren. Und da sich nicht exakt nachhalten lässt, wann das Uhrwerk mal wieder lethargisch arbeitet oder besonders agil zu Werke geht, muss Dorla Beth immer wieder zeitlich improvisieren, um das Uhrwerk neu zu justieren. Lediglich ein kleiner Stift muss dazu aus einem Zahnrad gezogen werden. Mit dem Blick auf einen Funkwecker, den die Krefelderin sich extra für diesen Zweck in den Uhrenschrank gestellt hat, kann dann die richtige Uhrzeit mehr oder weniger schnell justiert werden. „Ich habe extra mal eine einstündige Einweisung bekommen, um die Uhr bedienen zu können“, sagt die 56-Jährige.
Trotz Smartphone & Co: Der Glockenschlag muss stimmen
Und sie merkt regelmäßig an den Reaktionen der umliegenden Bevölkerung, dass trotz exakter Uhrzeiten mittlerweile in jedem Haushalt dank Smartphones und Funkuhren auch der pünktliche Glockenschlag weiterhin eine hohe Bedeutung hat. „Wir bekommen immer mal wieder Anrufe, wenn die Uhr nicht richtig geht. Außerdem merkt man es natürlich beim Gottesdienst an den Reaktionen unserer Besucher, wenn die Uhr zum Beginn nicht synchron schlägt.“ Deshalb achtet die Küsterin regelmäßig darauf, dass es keinen Grund für Klagen gibt – allerdings sind die eher humorvoll gemeint.
Schließlich sind die Gemeindemitglieder eher stolz darauf, was sie für ein in die Jahre gekommenes und dennoch intaktes Schmuckstück in der ohnehin historischen Kirche von 1874 im Glockenturm haben. „Es ist eben ein altes Schätzchen“, sagt Dorla Beth. 1957 wurde das mechanische Zahnradwerk der Turmuhrenfabrik Eduard Korfhage & Söhne aus dem Stadtteil Buer von Melle in Osnabrück eingebaut. Und seitdem leistet sie ihren Dienst, wenn auch mal mit betrieblichen Unterbrechungen und zeitlichen Einschnitten. Denn die Uhr muss in der Nacht ihren Betrieb einstellen. Wobei das nicht ganz präzise ist: Über eine Zeitschaltuhr wird geregelt, dass der letzte Glockenschlag am Abend um 22.30 Uhr erfolgt und die Menschen nicht früher als 7 Uhr aus dem Schlaf geholt werden. Lärmschutz gilt halt auch für Kirchen.
Eine Anekdote dazu hat die Küsterin parat: Ausgerechnet an einem Karfreitag soll es sich ein Lärmgegner einst vorgenommen haben, die Emission des Glockenklangs zu messen. Er habe auf dem Luisenplatz gewartet und gewartet. An dem stillen Feiertag läuten die Glocken allerdings nicht.
Dafür muss der Klang an einem anderen Tag besonders sitzen, sagt Küsterin Dorla Beht. „An Silvester ist es natürlich besonders wichtig, dass die Glockenschläge stimmen.“