Einzelhandel Juristisches Tauziehen um den verkaufsoffenen Sonntag

Krefeld · Ein Tag wie eine Achterbahnfahrt: Gericht verbietet die Öffnung, Stadt bessert nach, Verdi reicht neue Eileinlassung ein.

 Trotz des Rechtsstreits liefen die Vorbereitungen weiter: Künstlerin Birgit Leßmann dekoriert ein Schaufenster.

Trotz des Rechtsstreits liefen die Vorbereitungen weiter: Künstlerin Birgit Leßmann dekoriert ein Schaufenster.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Mit viel Engagement und Leidenschaft haben Einzelhändler, Stadt und Künstler diese Aktion mit verkaufsoffenem Sonntag geplant: Kunst im Schaufenster, Mode-Präsentationen, Performances. Das „Krefelder Schaufenster pur“ sollte die von der Werbegemeinschaft initiierte Veranstaltung „Krefeld pur“ ersetzen, die aufgrund der Corona-Krise nicht stattfinden konnte. Auch die evangelische Kirche, die eine Sonntagsöffnung sonst strikt ablehnt, saß mit im Boot, um der von der Corona-Krise besonders gebeutelten Branche Mut zu machen.

Statt Vorfreude gibt
es ein großes Zittern

Doch statt Vorfreude auf den verkaufsoffenen Sonntag am 6. September von 13 bis 18 Uhr gibt es nun ein großes Zittern: Am späten Donnerstagabend stellte die Gewerkschaft Verdi einen Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gegen die Sonntagsöffnung. Dominik Kofent, Verdi-Bezirksgeschäftsführer Linker Niederrhein, sagte dieser Zeitung: „Der Verkauf entspricht unserer Auffassung nach nicht dem Sonntagsschutz. Es geht um ein reines Verkaufsinteresse.“

Der Freitag glich dann einer dramatischen Achterbahnfahrt: Am späten Freitagnachmittag teilte die Stadt mit: Verdi habe die Klage zurückgezogen. Das Gericht habe mitgeteilt, der Rechtsstreit habe sich erledigt. Die neue Argumentation der Stadt habe offenbar gewirkt, so eine Stadtsprecherin. Dominik Kofent wiederum widersprach am späten Freitagabend: „Nach der Rücknahme und Neustellung des Antrages und unserer erneuten Eileinlassung warten wir noch auf ein Signal aus dem OVG. Ich gehe davon aus, dass der offene Sonntag nicht stattfindet.“ Eine Entscheidung lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Am Mittag hatte das OVG entschieden: Der Ratsbeschluss für die Sonntagsöffnung in Krefeld ist rechtswidrig. Schon im Falle anderer Städte hatte das OVG jüngst entsprechend geurteilt. Die Corona-Krise reiche allein als Begründung für einen verkaufsoffenen Sonntag nicht aus. „Gesetz- und Verordnungsgeber dürfen Ausnahmen von der regelmäßigen Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen nur zulassen, wenn sie durch einen zureichenden Sachgrund von ausreichendem Gewicht bezogen auf den zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Umfang der jeweiligen Sonntagsöffnung gerechtfertigt und für das Publikum am betreffenden Tag als Ausnahme von der sonntäglichen Arbeitsruhe zu erkennen seien“, formulierte das OVG.

Neue Verordnung per Dringlichkeitsbeschluss

Diesen Ball nahm die Stadt auf. „Wir halten an den Plänen fest“, hieß es. Innerhalb kürzester Zeit brachte sie am frühen Nachmittag per Dringlichkeitsbeschluss eine neue „Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen“ auf den Weg, um die geplante Veranstaltung zu ermöglichen. In der Begründung wurde nicht mehr allein auf die Folgen der Corona-Pandemie für den Einzelhandel verwiesen, da dies laut aktueller Rechtsprechung nicht als hinreichender Grund für eine Sonntagsöffnung gelte.

Stadt: Es geht um die Präsentation von Kunst und Kultur

Stattdessen habe sie das ohnehin lange geplante Kulturprogramm „Schaufenster pur“ und den „Modezirkus“ im Schwanenmarkt noch deutlicher beschrieben. So sei geplant, dass lokale Künstler in einer Art „Pop-up-Kunstgalerie“ 20 Ladenlokale in der Innenstadt bespielen. Im Schwanenmarkt sollen im Zuge einer Modepräsentation Künstler, Musiker und Artisten auftreten. Die Stadt betonte zudem, dass der evangelische Gemeindeverband, der den verkaufsoffenen Sonntag in diesem Fall ausdrücklich unterstützt, sich mit eigenen Aktivitäten am Programm beteiligt. Somit diene die Sonntagsöffnung in Krefeld nicht einem reinen Verkaufsinteresse, sondern dem besonderen Anlass einer Präsentation von Kunst und Kultur.

„Ich verstehe, dass die Gewerkschaft Verdi die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einzelhandel im Blick hat. Aber in diesem Fall geht die Argumentation gleich doppelt ins Leere. Erstens stehen Kunst und Kultur im Mittelpunkt der Veranstaltung, zweitens helfen wir durch den verkaufsoffenen Sonntag sowohl dem in der Corona-Epidemie stark belasteten Einzelhandel als auch den ebenfalls hart getroffenen Kulturschaffen. Das nützt auch den Menschen, die im Einzelhandel arbeiten und deren Interessen Verdi ja gerade vertreten möchte“, erklärt Oberbürgermeister Frank Meyer.

Ähnlich hatte bereits Christoph Borgmann, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, bei der Vorstellung des Programms argumentiert. Zum einen könne der Handel zeigen: „Wir sind noch da.“ Zum anderen bekämen Künstler, die es „fast noch schwerer haben als wir“, eine Chance, ihre Werke zu zeigen und zu verkaufen. Borgmann hatte sich am Abend noch sehr erleichtert gezeigt, dass der offene Sonntag stattfinden könne. Da wusste er allerdings noch nicht, dass Verdi erneut einen Eilantrag bei Gericht eingereicht hatte.