„Strike“ Jungunternehmer eröffnen Second-Hand-Geschäft für angesagte Mode in Krefeld
Krefeld · Ein neues Geschäft soll „coole“ Second-Hand-Kleidung in die Krefelder Innenstadt bringen. Die Gründer sind alle jünger als 21 Jahre - und einige setzen alles auf eine Karte.
Der Jungunternehmer trägt Trainingsjacke, abgewetzte Turnschuhe und eine hellrosa Kappe auf dem Kopf. So gekleidet fährt Daniel Bayen in einem dunklen Kastenwagen an der Lohstraße 118 vor. Der 19-Jährige steigt aus. Erst hebt er einen Sessel aus dem Kofferraum, dann zwei Kisten Sekt. „Heute Nachmittag gibt es noch einen kleinen Empfang. Der ist für alle, die geholfen haben, dass wir den Store nun eröffnen können“, sagt Bayen. Der Store ist das Geschäft in der ersten Etage der Lohstraße 118. An diesem Samstag ist die Eröffnung im Laden zwischen Rheinstraße und Sankt-Anton-Straße.
Es ist das Projekt einer Gruppe junger Leute rund um Geschäftsführer Bayen. Sie haben Anfang des Jahres ihr Gewerbe angemeldet. Es heißt „Strike“. Nun geht das Team mit dem eigenen Laden an den Start. Alle Gründer sind jünger als 21 Jahre. Studium oder Ausbildung – darauf verzichten Bayen und einige seiner Mitstreiter. Der eigene Second-Hand-Verkauf soll ihre Lehre sein. Wobei der Titel Second-Hand-Verkauf ein falsches Bild erzeugt. Das klingt so nach Gnadenhof für Kleidung, die ihre besten Tage schon seit Jahren hinter sich hat.
Die Realität bei Strike ist eine andere. Entstanden ist in den Räumen über einer alten Kneipe eine Mischung aus Jugendzentrum, Retro-Laden und Garderobe für Hip-Hop-Musikvideos. An den Kleiderständern hängen Trainingsjacken und T-Shirts in allen Farben – das Beste aus den 80ern, 90ern und von gestern. Dazu alte Teppiche auf den Holzdielen, ein wuchtiges Sofa und von Graffiti-Künstlern besprayte Wände im Flur.
Mit dem Second-Hand-Geschäft setzt Strike bei einem Thema an, das derzeit vor allem junge Leute umtreibt. Mode soll angesagt sein – und gleichzeitig nachhaltig. „Fast Fashion“ ist zum Ärgernis für umweltbewusste Einkäufer geworden. Damit lässt sich das gängige Geschäftsmodell großer Modeketten beschreiben. Kollektionen ändern sich laufend, Kunden sollen ständig ihren Kleiderschrank neu füllen. Die Langlebigkeit von Kleidung? Völlig egal. Mittlerweile etablieren sich Modelle, die anders funktionieren. Über die Plattform Kleiderkreisel zum Beispiel. Da verkaufen, tauschen oder verschenken Menschen Klamotten auf die sie keine Lust mehr haben, die aber nicht gleich in die Tonne sollen. Nun mischen ambitionierte Krefelder auf dem Markt mit.
Gründer Bayen schleppt die Sektkartons hoch in den Laden. Die Nachhaltigkeit sei ein bedeutender Nebenaspekt für ihn, sagt er. Er will vor allem ein konkurrenzfähiges Geschäft. Aus dem Fenster sieht der junge Mann den riesigen Primark – der Inbegriff für billige Massenware. Die günstigen Preise dort stünden sicher nicht für Qualität, meint Bayen. Zumindest für gebrauchte Ware geht aus seiner Sicht beides. Um die 15 Euro kosten viele Teile bei Strike. Zudem gibt es ein paar Ausreißer. „Sammlerstücke“, meint Bayen und deutet auf eine grüne Handtasche von Yves Saint Laurent. 499 Euro steht auf dem Preisschild. Es ist das teuerste Stück im Regal. An der Wand gegenüber hängt das blau-rote Trikot des Fußballclubs Paris Saint Germain. Über 100 Euro kostet das Jersey aus einer Zeit, in der Geld für die Franzosen noch von Trikotsponsor Opel statt aus Katar kam.
Die Sachen kämen von einem Großhändler, sagt Bayen. Der verkaufe normalerweise Second-Hand-Ware in gutem Zustand ins Ausland. Strike zahle dem Händler etwas mehr, um ausgewählte Teile vorher in Deutschland zu halten. Bayen und seine Leute holen sich vielversprechende Kleidung also zurück. Das sind angesagte Marken wie Nike oder Jeans von Levis. Da komme es auf das eigene modische Gespür an. In dieser Menge nehme man aber niemandem etwas weg, sagt Bayen.
Während er mit ruhiger Stimme referiert, wuseln im Laden seine jungen Kollegen herum — oder besser Mitarbeiter? Schließlich ist er der Geschäftsführer. Er wünscht sich lieber den Titel Projektleiter. Geschäftsführer, das klinge so nach Chef einer Discounter-Filiale. Bayen gibt sich Mühe, nicht wie ein Jung-Manager zu wirken, der FDP-Chef werden will.
Die Idee, mit Second-Hand-Mode ein Geschäft zu machen, hatte er schon länger. Mit seinem Kumpel Nils Peter verkaufte er auf Flohmärkten. Während des Abiturs geriet die Idee etwas in Vergessenheit. Bayen ging ein Jahr in die USA. Dort sah er, wie Oldtimer mit Elektromotoren umgerüstet wurden. Das wollte er auch und begann ein Studium der Elektromobilität. Nach zwei Monaten war er überzeugt: „Man lernt besser im echten Leben“. Mit seinem Kumpel vom Flohmarkt und anderen Mitstreitern lebt die Second-Hand-Idee wieder auf. Die Eltern hätten bei diesen Plänen schon Sorge, sagt Bayen. Schließlich haben die jungen Leute ihr eigenes Geld als Startkapital genutzt. Bayen ist trotz aller Risiken zuversichtlich. Wichtige Fähigkeiten könne man sich aneignen mit Anleitungen aus dem Internet. Buchhaltung zum Beispiel. „Einnahmen, Ausgaben, Vorsteuer“, sagt Bayen. Freilich läuft es beim Marketing genauso. Und natürlich auch beim Fotografieren der Ware.
Die Gruppe probierte es
erst mit einem Online-Shop
Das klingt so leicht. Dennoch läuft nicht immer alles nach Plan. Erst probierte es die Gruppe einzig mit einem Online-Shop. Doch die Logistik war arg kompliziert. Dann sollte es ein Geschäft in Düsseldorf sein. Die Schöne am Rhein, wo noch schönere Menschen absolut wunderschönes Geld für Mode ausgeben. Nur fanden die jungen Gründer keinen Vermieter.
Nun also Krefeld, nähe Seidenweberhaus. Drogenszene in der Nachbarschaft statt stilbewusster Durchstarter. Dennoch möchten die Gründer ihren Standort nicht als erste Niederlage der Karriere verstehen. Für die Krefelder Jugend sei das eine Chance. Da seien viele unzufrieden mit den Möglichkeiten in der Stadt. Strike soll da eine angesagte Adresse werden.
Vor allem spricht für Krefeld, dass die Gründer einfach an ein Ladenlokal kamen. Es gehört Bayens Onkel und stand leer. Der Großvater kümmerte sich darum, dass der Enkel die Räume übernehmen kann. „Er ist also der Ehrenmann“, sagt Bayen. „Ehrenmann“, das ist bei jungen Leuten momentan ein Zeichen höchster Anerkennung. Wer zum Beispiel mit den Worten „geht auf meinen Nacken“ ein Essen zahlt, ist ein Ehrenmann. Klar, dass dem Großvater der Titel nun würdig ist.
Und für den Onkel ist Bayen wohl auch ein Ehrenneffe. Schließlich standen seine Räume lange leer. An diesem Samstag geht es weiter. Nächster Teil des Selbststudiums: ein guter Verkäufer sein.