Tag des offenen Denkmals Das alte Stadtbad auf dem Weg zu einer neuen Identität

Am Tag des offenen Denkmals gab es eine Vortrags- und Diskussionsrunde.

Tag des offenen Denkmals: Auch Beigeordneter Marcus Beyer sprach im alten Stadtbad.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Anke Bruns kommt am Sonntagmittag gleich zur Sache und zur gewünschten Bürgerbeteiligung. In der Wandelhalle des alten Stadtbads schickt die Moderatorin ihr rotes Wurfmikrofon ins Publikum auf die Reise, um Antworten zur Frage zu sammeln: „Was hat das Stadtbad für eine Identität?“ Viele der Anwesenden verbinden etwas mit dem leer stehenden historischen Gemäuer. „Früher hatten wir kein Badezimmer, da sind wir ins Stadtbad gegangen.“ „Ich habe hier Frei- und Fahrtenschwimmer gemacht.“ „Ich hatte hier noch Schulschwimmen, aber keinen Blick dafür, wie schön es auch ist.“ Und eine Krankenschwester erinnert sich: „Beim Schichtdienst bin ich hier immer zwischendurch schwimmen gegangen.“ Ein anderer Zuhörer hat vor allem das kalte Wasser in Erinnerung.

Oberbürgermeister Frank Meyer gesteht in seiner Wahrnehmung als ehemaliger Uerdinger Schüler: „Ich war erschlagen davon, wie groß es hier war.“ Dann zielt er mit einem Beatles-Zitat „Da sind Plätze, an die ich mich erinnere“ auf die Bedeutung, die ein Ort ein Leben lang für jemanden haben kann und dass es die Aufgabe rund um das alte Stadtbad sei, es auch für nachfolgende Generationen zu einem Ort der Erinnerungen zu machen, zu einem Platz, mit dem sie sich identifizieren können.

Sachlich nüchtern referiert Marcus Beyer (Beigeordneter Stadt Krefeld, Geschäftsbereich Planung, Bau und Gebäudemanagement) über den Stand der Dinge. „Es gibt nicht so viele Objekte in Krefeld, die mit so vielen Emotionen verbunden sind“, so ein Fakt jenseits von Altlasten, moderner Schwimmbadtechnik und Plänen.

Sven Kurau (Kunsthistoriker, wissenschaftlicher Referent in der Abteilung Inventarisation beim Landschaftsverband Rheinland) nimmt das Publikum mit auf eine kleine Zeitreise durch die Bädergeschichte ab der Mitte des 19. Jh., als die Hauptfunktionen des neu erfundenen Gebäudetyps Waschen, Baden und Schwimmen waren – Hygiene und Sittlichkeit nicht zu vergessen. Im Vergleich mit anderen Stadtbädern kann er mitteilen, dass das Krefelder Stadtbad mit seinen zwei großen Schwimmhallen für die Geschlechtertrennung und einem Römisch-irischem Bad zu den repräsentativsten Anlagen der Kaiserzeit gehörte.

Die Baubiologin Sonja Palmer kann das mit den Ergebnissen ihrer Untersuchungen des Innenputzes bestätigen: „Ganz schön bunt und repräsentativ“, lautet ihr Fazit für Räumlichkeiten wie den Wandelgang, die weniger mit Feuchtigkeit und höheren Temperaturen in Berührung kamen. „In der Bäderabteilung war es eher schlichter.“

Für den Architekten Robert Niess, der an der Hochschule Düsseldorf in der Fakultät Architektur „Entwerfen und Bauen im Bestand“ lehrt, gibt es viele Gründe – und diese schon seit der Antike – eine bestehende Bausubstanz nicht gleich abzureißen. Erhalt, Umbau und Umnutzung sind Aspekte, für die nicht nur Kostengründe sprechen. Dann stehen Immobilienbesitzer auch vor der Entscheidung Nutzungserhalt oder neue Nutzung im oder gegen den Sinn der Denkmalpflege.

Er fasst seine Meinung zum Stadtbad in knapper Form zusammen: „Für das Stadtbad ist eine neue Nutzung positiv, das Schwimmen auf gar keinen Fall.“ Der energetische Aufwand sei zu groß für die Fortführung der historischen Nutzung. In Bezug auf die Frage der Nachhaltigkeit steht für den Architekten auch fest, dass Erhalt und Weiternutzung nachhaltig sind. So würde nicht noch zusätzlich graue Energie beispielsweise für den Abriss und die Entsorgung von Schutt anfallen.

Nach den kurzen Vorträgen kommt es zur Frage- und Diskussionsrunde mit dem Publikum. Wo könne man Auskünfte rund um das Stadtbad bekommen und eigene Ideen einbringen? Frau Ruth Esser-Rehbein vom Gebäudemanagement der Stadt wäre eine Ansprechpartnerin. Ein Vorschlag bezieht sich auf kleine Museen in Krefeld, die vielleicht neben der großen Entomologischen Sammlung auch ihren Platz in dem großen Gebäudekomplex finden könnten. Niess antwortet darauf, dass es wichtig sei, „vitale“ Museen unterzubringen und nicht nur Sammlungen.

Eine Frau stellt heraus, dass das Stadtbad an drei Straßen angebunden sei und der Ort als Begegnungsstätte fungieren soll, aber bei der Veranstaltung hier keine Bevölkerung aus dem Quartier anwesend sei. Wie werden die Menschen einbezogen, die hier wohnen? Beyer muss eingestehen: „Sie haben den Finger in die Wunde gelegt. Es sind neue Bevölkerungsstrukturen im Laufe der Jahrzehnte hier entstanden. Die entsprechenden Fachbereiche Jugend und Migration werden aber einbezogen.“

Zum Gebäude kommt der Vorschlag, an einer Stelle auch das Ruinenhafte zur Identitätsbewahrung zu erhalten. Ein Herr schildert seine Eindrücke von einer Fahrt in die Niederlande, wo er eine historische Fabrikanlage nicht nur mit neuer Nutzung, sondern auch mit Teilen zeitgenössischer Architektur gesehen habe. Dies vermisse er nun bei den Schilderungen über den Baufortgang des Stadtbads und wünscht sich „mehr Mut, auch das 21. Jahrhundert mit einzubringen.“

Da kann ihn der Kunsthistoriker vom LVR beruhigen: „Es ist gelebte Praxis in der Denkmalpflege auch das 21. Jahrhundert sichtbar zu machen. In den seltensten Fällen wird eine Käseglocke über das Objekt gestülpt.“