Kirchenmusik in Krefeld Johannes-Passion sorgt für volle Kirche

Freunde barocker Kirchenmusik – und derer vom Feinsten – konnten sich in der Fischelner Kirche St. Clemens in die Höhen europäischer Kultur heben lassen, mit Bachs Johannes-Passion.

Cantate Krefeld und Cantilena ad libitum sowie die Capella 94 wurden geleitet von Christoph Scholz.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Soll einer mal sagen, dass heute nicht mehr gelingen könne, für volle Kirchen zu sorgen. Es hängt halt davon ab, was in (dieser) Kirche passiert. So zum Beispiel konnten Freunde barocker Kirchenmusik – und derer vom Feinsten – in der Fischelner Kirche St. Clemens sich in die Höhen europäischer Kultur heben lassen, mit Bachs Johannes-Passion. In einer überaus gelungenen Aufführung unter der sensiblen Leitung von Kantor Christoph Scholz.

Die Faszination des christlichen Erlösungsmythos‘ um Aufopferung, Leid, Kreuzigung, Tod und Auferstehung Jesu Christi hat seine Eigenheiten. Genauso, wie man unter Umständen zurückschrecken darf, wenn man die vielen verwundeten Menschen in kirchlichen Darstellungen sieht – allen voran Jesus am Kreuz. Das Leiden ist zentral in dieser religiösen Tradition. Aber das Leiden kann, wenn es auf eine kunstvolle Weise dargestellt ist, auch zu einem Mitfühlen, einer Katharsis, animieren, tröstend einwirken.

Sei es drum: Bachs Musik durchdringt die Passionsgeschichte nach dem Evangelisten Johannes – die bei ihm eine mehr mystische verklärte ist – auf so eine meisterhafte Weise, dass diese Musik einfach berühren muss. Und spannenderweise findet jeder seine Favoriten in diesem Gesamtkunstwerk, jeder seine Lieblingsstelle. Seien es die großen, bisweilen turbulenten – daher der Name – „Turba“-Chöre, in denen das Getümmel der Menschengruppen musikalisch abgebildet wird. Oder die reflektierenden Arien. Seien es die erzählenden Worte des Evangelisten oder die Worte Jesu, vielleicht auch die Choräle, die sozusagen als Bindeglied zwischen der Welt des Erzählten und der Welt der Gemeinde fungieren können. Die Musik ist über jeden Zweifel (vielleicht an Teilen des Textes) erhaben.

Äußerer Anlass für dieses beachtliche Kirchenkonzert, das für viel Beifall im Publikum sorgte, ist Bachs 275. Todesjahr. Und tatsächlich fällt auch sein Geburtstag auch auf Ende März (16. März 1685 nach heutigem Kalender). Und wir sind in der Fastenzeit, auf dem Weg zu Ostern.

Scholz vereinte für diese Aufführung die Chöre Cantate Krefeld und Cantilena ad libitum und leitete sie unter der Begleitung seines Orchesters Capella 94, die auf historischen Instrumenten spielen. Wie sehr Bachs Musik durch entsprechenden Instrumente und ihren spezifischen Charakter – für den sie ja auch seinerzeit geschrieben wurde – gewinnt, oder wie sehr Bach auch mit heutigen Instrumenten wunderbar sein kann, das ist ein Kampf, der an verschiedenen Schlachtfeldern der Interpretationspraxis ausgefochten wurde, bisweilen noch wird. Wobei, eigentlich ist er entschieden. Denn so bei sich hört man Bach nur, wenn Könner am Werk sind. Damit ist gemeint: Musiker, die sich in die musikalische Denkwelt des Barocks eingearbeitet haben. Wie in diesem Fall, mit entsprechender Phrasierung, viel Gespür für Tempi – die übrigens eben nicht zwingend übertrieben sein müssen und dies auch nicht waren – und einer ausgesprochenen Balance zwischen Spannung und Entspannung. Scholz leitete Chor und Ensemble bis auf wenige Stellen mit einer wundervoll unaufgeregten Sicherheit durch die musikalische Geschichte, die hier erzählt wird. So viel profitierte dieser Abend auch von einem glänzend guten Evangelisten in persona des Tenors Leonhard Reso, der die Passionserzählung mit wunderbar klarer Ausdeutung und herrlich gut sitzender Stimme zu einem Erlebnis werden ließ. Aber auch Bass Robin Liebwerth, Bariton Gregor Finke sowie die beiden Frauenstimmen, Sopran Charlotte Schäfer und Mezzo Laura Kriese trugen zu der allgemeinen Wertigkeit dieser Aufführung bei.

Natürlich muss die sehr sorgsame Vorbereitung der beiden Chöre und ihre herrlich stimmige Singfreude herausgestellt werden. Nicht überhetzt, mit viel Sinn für Phrasierung und etlichen sehr guten, einigen herausragend guten Stimmen im harmonischen Gesamtchorklang formte der Chor die Musik Bachs zu einer kunstvollen Klangskulptur.