Historie Entdeckungsreise in den Herberzhäusern

Krefeld · Die Sanierung in Uerdingen macht auch einen Blick in die Geschichte der Gebäude möglich – Fassadenplanen lassen bereits zukünftiges Bild erahnen.

Die Geschichte der Herberzhäuser lässt sich durch die Sanierung noch besser nachvollziehen.

Foto: Stadt Krefeld

Die Fassadenplanen an den Herberzhäusern lassen bereits erahnen, wie sich die Gebäude am Uerdinger Marktplatz bald präsentieren. „Die 1832 erbauten Herberzhäuser zählen zu den bedeutendsten historischen Bauten der an Baudenkmälern reichen Stadt Krefeld“, betont Eva-Maria Eifert von der Unteren Denkmalbehörde. Zusammen mit Restauratoren des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege beim Landschaftsverband wurden die fast 200 Jahre alten Gebäude untersucht und sorgfältig dokumentiert. Die Erkenntnisse unter anderem der Farbgestaltung flossen in die aktuelle Sanierung der Fassaden und Fenster ein. Die Arbeiten sollen im ersten Quartal 2021 abgeschlossen sein.

Die markanten Häuser prägte in den vergangenen Jahren ein maßgeblich gelbweißer Anstrich. „Die bedruckte Folie vermittelt einen Eindruck der Fassadengestaltung, die im Original den Befundungsergebnissen der Restauratorin entspricht“, so Eifert. Bei den ursprünglich blaugrün-golden beschichteten Ziergittern aus Gusseisen wurde ein dunkles Anthrazit genommen. „Die Herstellung dieser Zierelemente in der Größe, Menge und Qualität war zur Zeit der Entstehung der Herberzhäuser neu. Es kam den bürgerlichen Bauherren wohl auch auf Modernität an“, sagt die Denkmalpflegerin. Die Umsetzung wurde einem in Krefeld bekannten Architekt und Stadtplaner übertragen: Adolph von Vagedes, der auch die Wälle in der Innenstadt konzipierte.

Treppenläufe und Raumdecken ließ man vielfach mit Stuckarbeiten gestalten, hier das Treppenhaus der ehemaligen Uerdinger Bücherei.

Foto: Andreas Bischof

Balthasar Herberz ließ die drei Wohnhäuser für sich und seine Brüder Jakob und Joseph in spätklassizistischem Stil erbauen. Die Kaufmannsfamilie aus Uerdingen handelte mit Kolonialwaren. Sie vervielfachten ihr Vermögen während der Kontinentalsperre (1806-1813) und ihre Rübenzuckerproduktion war um 1830 das erste bemerkenswerte Industrieunternehmen in der Rheinstadt. Wie die reichen Seidenfabrikanten in Krefeld – unter anderem die Familie Von der Leyen mit ihrem Stadtschloss – wollten die Gebrüder an zentraler Stelle einen repräsentativen Bau, der ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung widerspiegelte. Der Architekt entwickelte dafür drei in Grundriss und Fläche genau gleiche „Reihenhäuser“ hinter einer einheitlichen Fassade. Das Gesamtgebäude dominiert so imposant eine Seite des Marktes.

Das wohlhabende Bürgertum investierte ebenso in eine repräsentative Innenausstattung. „Ganz offenbar wurde für die Herberzhäuser ein innen und außen durchgängiges Gestaltungskonzept entwickelt und umgesetzt“, so Eifert. Die Eingangsflure der Gebäudeteile zieren im Boden sternförmig gestaltete Marmorintarsien, ein Motiv, das sich im ersten Obergeschoss in den Parkettböden wiederholt.

Viele Details in den drei ehemaligen Wohnhäusern

In die beiden Obergeschosse führen großzügig gewendelte Treppen aus Eichenholz und Mahagoni. Die gusseisernen Geländerstäbe sind reich ornamentiert und zum Teil goldlackiert. Treppenläufe und Raumdecken ließ man vielfach mit Stuckarbeiten gestalten. Die Rosetten an den Treppenuntersichten finden sich in gleicher Form auch am Traufgesims der Fassade. „Die Geländerstäbe und die Ziergitter auf dem Dachrand weisen ähnliche Ornamente auf, die sich dann nochmals in der exquisiten Malerei der Salons in den Gebäudeteilen Rathaus und Apotheke wiederfinden“, sagt die Denkmalpflegerin.

Vermutlich war es Ludwig Pose, der als erfolgreicher Vertreter der sogenannten Rheinischen Dekorationsmalerei, neben Räumen des Hauses Sollbrüggen und des Jagdschlosses Burg Linn auch die Festsäle der Herberzhäuser ausstattete. Fast schon bunte Ornamente und figürliche Darstellungen sind auf die Tapeten gemalt worden. Die Fassadengestaltung der Herberzhäuser fiel dagegen klassizistisch schlicht aus. Horizontal verlaufende Gesimse betonen die strenge Ordnung der Fassade, die durch die schmuckvoll gestalteten Balkone unterbrochen wird.

In den vergangenen 20 Jahren zeigten die Fassaden zunehmend Schäden, Risse, abgelöste Farbe. Wegen Unfallgefahr mussten Stuckrosetten und beschädigte Balkongitter abgenommen werden. Zu Beginn der Sanierung befürchteten die Denkmalschützer, dass sie nach Abnahme der über die Jahrzehnte aufgetragenen verschiedenen Farbschichten auf einen stark beschädigten Putz stoßen. Nach dem schonenden Abbeizen der Farbschichten zeigten sich jedoch deutlich weniger Schäden am Putz als vermutet. Als herausfordernd stellte sich die vollständige Entschichtung der Putz- und auch der Natursteinflächen dar, die im Gegensatz zu heutigen Fassadenbekleidungen ursprünglich überstrichen waren. Dagegen wurde

im Quaderputz im Erdgeschoss eine Kämmung angebracht, um einen „Stein-Eindruck“ zu erreichen. Die Quaderputzflächen werden in feiner Handarbeit vom Stuckateurmeister bearbeitet. Parallel zur Sanierung der mehrere hundert Quadratmeter großen Fassadenflächen waren die Fenster zu bearbeiten. Zum Teil handelt es sich um bauzeitliche Eichenholzfenster mit aufwändigen Espagnoletteverschlüssen aus Messing. Alle Fenster wurden von den alten Farbbeschichtungen befreit, repariert und mit dünnen Isolierglasscheiben ausgestattet.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts haben die Herberzhäuser ihren Wohnhauscharakter überwiegend verloren: Das erste Gebäude ist heute Rathaus, das zweite eine Apotheke und privates Wohnhaus, das dritte war bis in die Mitte der 1970er-Jahre Amtsgericht, später die Bücherei der Rheinstadt. Und während das Stadtschloss der Von der Leyens, das heutige Krefelder Rathaus, im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört wurde, bekamen die Herberzhäuser nur einige Artillerieeinschüsse ab.