Geschichte Von der Erziehungsanstalt zu Luxusbüros

Krefeld · Von der Ruine zum Aushängeschild: Der Stadtspaziergang der Grünen führte durch den historischen Teil des Campus Fichtenhain.

Auf dem Foto ist die ehemalige Werkstatt zu sehen. Dort gibt es jetzt Veranstaltungsräume und den ein oder anderen Oldtimer.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Das Staunen ist groß, als es auf dem Stadtspaziergang der Bündnis-Grünen über den Campus Fichtenhain die ersten Innenansichten gibt. Von außen kennen viele die Runde der Backsteingebäude, die ab 1905 von der Rheinischen Provinzialverwaltung als Fürsorgeerziehungsanstalt errichtet wurden. Was mit dieser Bezeichnung nicht unbedingt in Verbindung gebracht wird, ist die Tatsache, dass die Anlage Aspekte der englischen Gartenstadt-Idee umsetzt, die damals gerade ein neuer Trend im Städtebau war.

So besitzt auch der Campus Fichtenhain eine zentrale Grünfläche, um die sich ein Kranz aufgelockerter Bebauung wiederum mit viel Grün und heute hohen Bäumen zieht. Eine gepflegte Atmosphäre und ein Ort der Kopfarbeit. Das war in der Fürsorgeerziehungsanstalt natürlich ganz anders, als einzelne Gebäude dieses Ensembles als Werkstätten fungierten.

Das Innere von CF 66 (Campus Fichtenhain Nr. 66) überrascht, denn aus der großen ehemaligen Schreinerei sind attraktive Veranstaltungsräume geworden. Ihre einstige Funktion als Werkstatt lässt sich an manchen Details noch ablesen, die gut mit der modernen Innenarchitektur und dem Design harmonieren.

Im angrenzenden Raum verblüffen lange Tischreihen mit gemütlichen gepolsterten Stühlen, die an alte Ohrensessel erinnern. Hier darf die Gruppe von fast 70 Menschen Platz nehmen. Eckart Preen, Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) Krefeld, bietet mit vielen Bildern eine Präsentation zur Entwicklung des Campus.

Dabei gibt es interessante Einblicke in die Arbeit und Strategien der WFG, das Gelände am südlichen Stadtrand nach dem Ende der Erziehungsanstalt zu nutzen. Alte Fotos von heruntergekommenen Gebäuden, von Zuständen, die durch Einbrüche und Vandalismus noch verschlimmert wurden, lassen auch den Laien ahnen, dass eine Vermarktung äußerst schwierig gewesen sein dürfte.

Da wollten sich Investoren jeglicher Art nicht locken lassen, so sehr man sich auch bemühte. Auch die Umgestaltung der Kirche am Campus als Veranstaltungsraum beispielsweise für Unternehmer- und Maklertreffs brachte nicht den gewünschten Erfolg. Bei den unkalkulierbaren Sanierungskosten und der einst schlechten Verkehrsanbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr wollte niemand investieren Erst 2006 konnte das erste – und kleinste – Objekt, das ehemalige Pförtnerhaus, verkauft werden. „Der Durchbruch kam im Sommer 2014 mit dem Verkauf von CF 48 und 66“, erklärt Preen.

Die Entdeckungstour geht weiter in die ehemalige Schlosserei. Der Aufenthalt dort wird zum großen Fotostopp. Denn das Ambiente einer Werkstatt ist noch stärker erhalten. Die aufgestellten Oldtimer sowie anderen historischen Objekte, wie zum Beispiel eine Doppelbank der „Holzklasse“ einer alten Bahn werden zu begehrten Fotomotiven. „Man kann sehen, wie wertvoll alte Gebäude sind, wenn man sie rettet und wieder herstellt“, sagt Günter Föller.

Dann bekommt die Gruppe Führungen durch zwei Gebäude, die zu Firmensitzen umgewandelt wurden. Bei C 48 hat man auch viel Geld in die Gestaltung eines Gartens mit Miniwasserfall, mehreren Wasserflächen und eigenem kleinen Fußballplatz gesteckt.

Die Büroräume kombinieren herausgeputztes altes Backsteinmauerwerk mit moderner Innenarchitektur, zeitgenössische Kunst mit Vintage-Look. Innen wie außen besitzt das Ganze eine sehr private Atmosphäre. Kein Wunder, dass da ein Herr fragt: „Ist das eine Firma oder ein Freizeitzentrum?!“ Eine Besucherin meint: „Das möchte ich hier mal meinem Chef zeigen.“

Der letzte Mangel des Standorts Campus Fichtenhain, so Preen, war die Nahversorgung der etwa 500 hier arbeitenden Menschen. Auch wenn die Unternehmen natürlich eigene Küchen — in üblicher Haushaltsgröße — und Gemeinschaftsräume haben, wie es die Einblicke auf diesem Rundgang gezeigt haben, fehlte ein Restaurant oder Bistro.

Diese Lücke konnte schon vor einiger Zeit geschlossen werden. In dem Gebäude, das einst die Waschküche sowie das Badehaus mit Brausebadeanlage und den „Beamtenbädern“ beherbergte, ist das Bistro „Waschküche“ eingerichtet worden. Dort endet der Spaziergang  mit Kaffee und Kuchen.