Frau Bern, Sie sind seit einem Monat in Krefeld für die Geschäftsbereiche Personal, Bürgerservice, Feuerwehr, Recht und Gleichstellungsstelle zuständig. Wo sehen sie die größten Herausforderungen?
Krefelder Dezernentin Cigdem Bern „Wir wollen eine herzliche Willkommenskultur schaffen“
Interview | Krefeld · Cigdem Bern, neue Krefelder Dezernentin, sieht in der Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung „eine Herausforderung“, wie sie im Interview mit der WZ verrät.
Cigdem Bern: Eine Herausforderung sehe ich in der Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung, in der Einführung der IT-Anwendungen und Prozesse für digitale Leistungen aus dem Online-Zugangs-Gesetz, E-Government-Gesetz und Smart City. Das wird letztlich die Arbeitsplatzausstattung, Arbeitsorganisation und die Kommunikationsstruktur erheblich verändern. Die Personalgewinnung mit Blick auf den demographischen Wandel und die Akquise von Fach- und Führungskräften ist eine weitere Herausforderung. Wir müssen vorausschauend und strukturiert handeln. Ich muss wissen, wie viele Fach- und Führungskräfte ich in zwei, fünf und zehn Jahren benötige und eine entsprechende Strategieplanung erstellen, um durch frühzeitiges Agieren Vakanzen zu vermeiden und Wissenstransfer zu sichern. Zusätzlich setze ich auf andere Instrumente, wie digitale Prozesse und Optimierung der Verwaltungsabläufe.
Sie haben zuvor im Kreis Viersen als Dezernentin die Bereiche Kinder, Jugend, Familie, Soziales und Wohnen sowie Schule, Kultur und Sport verantwortet. Die Aufgabengebiete in Krefeld liegen völlig anders. Was aber können Sie aus Ihrem früheren Job nach Krefeld übertragen?
Bern: Die Aufgabenbereiche, die ich in Krefeld verantworte, sind mir aus früheren Tätigkeiten nicht fremd. Ich kenne die Bedürfnisse der Fachbereiche aus eigener Erfahrung. Ich weiß zum Beispiel, wie schwierig es ist, Personal für Kitas und den sozialen Bereich zu gewinnen und kann bei der personellen Ausstattung helfen. In der Digitalisierung kenne ich natürlich auch die Nöte der Schulen.
Derzeit wird das Handeln der Verwaltung vor allem durch die Corona-Pandemie bestimmt. Viele andere Themen rücken in den Hintergrund. Auch die finanziellen Spielräume werden kleiner. Sind Sie dadurch in Ihrem Handeln eingeschränkt?
Bern: Ich habe das große Ziel, die Digitalisierung voranzubringen. Dazu benötige ich natürlich finanzielle und personelle Ressourcen, die mir hoffentlich trotz der angespannten Haushaltslage ausreichend zur Verfügung stehen. Wir sind derzeit in Gesprächen mit der Kämmerei. Der Haushalt soll im Februar eingebracht werden.
Die Situation in den Bürgerbüros sorgt immer wieder für Frust. Es gibt Klagen über lange Wartezeiten, aber auch über einen hohen Krankenstand beim Personal – nicht nur in Corona-Zeiten. Wie ist die aktuelle Lage: Hat die Öffnung der Bürgerbüros in Hüls und Süd für Verbesserungen gesorgt?
Bern: Spürbare Verbesserungen wird auf Sicht die Digitalisierung bringen. Die langen Wartezeiten aktuell sind durch die Corona-Pandemie verschärft worden. Das können wir leider kurzfristig nicht ändern. Durch die Öffnung der Bürgerbüros Hüls und Süd sind wir an drei Standorten dezentral erreichbar, da das Bürgerbüro Bockum seit einiger Zeit schon geöffnet ist. Hierüber freue ich mich, da wir vermeiden können, dass die Menschen aus diesen Stadtteilen ins Rathaus kommen müssen. Das entzerrt auch die Situation im Rathaus. Gleichwohl spüren wir gerade in den Bereichen, in denen viel Publikumsverkehr besteht, auch intern die Corona-Folgen. Es gibt eine Reihe von Mitarbeitern, die zur Risikogruppe gehören und daher nicht mehr dort eingesetzt werden können. Die restlichen Mitarbeiter arbeiten seit Monaten auf Hochtouren und sind engagiert, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Wir werden weiter bürgerfreundlich arbeiten und verbessern unsere Angebote trotz der Personalknappheit.
Zum Beispiel?
Bern: Wir haben die Passausgabestelle personell verstärkt, weil wir festgestellt haben, dass wir sonst keine neuen Termine bis Ende des Jahres für die Passausgabe hätten vergeben können. Es gibt eine Reihe von Beschäftigten, die sich freiwillig für diese Arbeit gemeldet haben, wofür ich sehr dankbar bin. Wenn wir das nicht machen würden, entstünde ein Rückstau von 300 bis 400 Pässen pro Woche. Dafür haben wir schon positive Resonanz von der Bürgerschaft erhalten.
Und wenn ich jetzt akut einen Personalausweis brauche?
Bern: Dann können Sie einen Antrag stellen und bekommen von uns auch einen Termin. Auch für die Passausgabe würden Sie jetzt wieder einen Termin bekommen.
Es gibt Kommunen, etwa Mönchengladbach, da müssen Bürger nur einmal ins Rathaus, um einen Ausweis zu beantragen. Abholen muss man ihn nicht, er wird nach Hause gebracht. Ist das etwas, was Sie sich für Krefeld vorstellen können?
Bern: Diesen Service bieten wir noch nicht an. Wir prüfen aber derzeit, welche Art von Leistungen möglich sind, etwa ein Bringdienst per Fahrradkurier.
Muss sich die Stadt Krefeld beim Bürgerservice nicht digital besser aufstellen? Es ist doch im Jahr 2020 eigentlich ein Unding, dass man für viele Dinge immer noch persönlich ins Rathaus muss.
Bern: Mein Bestreben ist, die Online-Dienste für die Bürger auszubauen, um bürgerfreundlicher zu sein. Der Idealzustand ist, dass alles von zuhause aus erledigt werden kann und keiner mehr ins Rathaus kommen muss. Falls aber trotzdem jemand persönlich kommen will, möchte ich durch den Umbau der Einwohnermeldehalle für den Bürger viel freundlicher und einladender werden. Es soll eine herzliche Willkommenskultur geschaffen werden.
Wann soll die neue Halle fertig sein?
Bern: Die Arbeiten werden – Stand heute – im Herbst 2021 beginnen und im Jahr 2023 abgeschlossen sein.
Und ab wann ist der digitale Bürgerservice verfügbar?
Bern: So schnell wie möglich. Spätestens aber bis Ende 2022, da das Online-Zugangsgesetz und das E-Government-Gesetz bis dahin umzusetzen sind. Das heißt, wir werden 574 Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digital ermöglichen.
Was sind das für Leistungen?
Bern: Das sind unter anderem Ab- und Ummeldungen, Leistungen des Kfz-Zulassungsdienstes, die elektronische Annahme von Bauanträgen und vieles mehr.
Das klingt ambitioniert innerhalb von zwei Jahren.
Bern: Das ist ambitioniert. Wir müssen jetzt noch mehr Fahrt aufnehmen, Meilensteine definieren, die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen intensivieren und die internen und externen digitalen Strukturen vernetzen.
Laut dem aktuellen Brandschutzbedarfsplan hat die Stadt Krefeld bei den Feuerwachen Millioneninvestitionen vor der Brust. So unter anderem in Uerdingen. Wo werden Prioritäten gesetzt, wann wird wo gebaut?
Bern: Unter Berücksichtigung der Manpower und finanziellen Haushaltsmittel fokussieren wir uns auf den Bau zweier neuer Feuer- und Rettungswachen. In der konkreten Planung sind die Standorte Traar und Fischeln. Baubeginn ist im Herbst 2021 für beide Wachen, die Fertigstellung ist für 2023 avisiert.
In der Verwaltungsspitze sind die sechs Leitungspositionen aktuell von vier Männern und zwei Frauen besetzt. In der gesamten Verwaltung dominieren ebenfalls die Männer. Wie wollen Sie mehr Frauen in Verantwortung bringen?
Bern: Mit vielen guten Maßnahmen kann die Frauenförderung forciert werden. Dabei denke ich an entsprechende Schulungen, das Mentoring-Programm Frauen unterstützen Frauen, Instrumente im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Frauen mit Kindern die Übernahme von Führungsaufgaben ermöglichen, sowie direkte Ansprache und Vorleben. All’ das wird dazu beitragen, dass sich der Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen wird. Ich bin davon überzeugt, dass durch die Zusammenarbeit von Frauen und Männern die erzielten Ergebnisse nachhaltiger sind.
Ihre Wahl als parteilose Dezernentin wurde auch von der CDU nicht blockiert. Gibt Ihnen eine so breite Unterstützung Rückenwind?
Bern: Ich bin sehr herzlich empfangen worden, und ich bin sehr glücklich über mein Wahlergebnis. Das macht mir die Arbeit und vor allem die Zusammenarbeit leichter. Ich glaube, es wird eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit den politischen Vertretern. Uns eint schließlich das Ziel, die Lebensqualität der Bürger in Krefeld zu verbessern. Und ich durfte schon feststellen, dass die Mitglieder im Verwaltungsvorstand konstruktiv und kollegial zusammenarbeiten.