EINMALIGE KOOPERATIONEN Kurt-Tucholsky-Gesamtschule hat Imageproblem wegen der Lage
Krefeld · Schulleiter Michael Schütz ärgert sich und baut einmalige Berufsorientierungs-Angebote weiter aus.
Eine Schule kann sich ihre Adresse nicht aussuchen. Und wenn die Lage ein schlechtes Image in der Bevölkerung hat, kann das negative Folgen haben, unter anderem auf die Schülerzahlen. Genau das trifft nach Aussage der Schulleitung auf die Kurt-Tucholsky-Schule an der Alten Gladbacher Straße zu. „Wir haben ein Standortproblem“, konstatiert Michael Schütz. Dabei verweist der Schulleiter unter anderem auf die Hochhaus-Ruine in unmittelbarer Nachbarschaft.
Das ehemalige Studentenwohnheim, seit vielen Jahren unbewohnt, ist alles andere als eine Visitenkarte für das Viertel – auch wenn dort nun angeblich saniert werden soll. Auch wegen dieses Gebäudes in der Nähe, ist sich Schütz sicher, steht seine Schule in der Elterngunst ganz unten. Die anderen fünf Gesamtschulen in der Stadt, vier weitere städtische sowie eine bischöfliche, hätten diesbezüglich „deutlich bessere Karten“.
Seit acht Jahren läuft Programm zum Übergang von Schule in Beruf
Besonders unfair erscheint den Verantwortlichen diese Situation vor dem Hintergrund der schuleigenen Berufsorientierung. Diese nämlich sei im Stadtgebiet höchstwahrscheinlich einmalig. Das Engagement ist durchaus bekannt, die Schulleitung hat das vor etwa acht Jahren erstmals umgesetzte Konzept schon bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) und im Schulausschuss präsentiert. „Nur von den Eltern, deren Kinder die Grundschule verlassen, wird es nicht honoriert“, sagt er. Wenig verwunderlich also, dass er verstärkt die Öffentlichkeit sucht, um für die entsprechenden Angebote und Möglichkeiten an der Kurt-Tucholsky-Schule zu werben – Stichwort Alleinstellungsmerkmal.
Neben dem Standard-Programm KAoA (NRW-Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“) zeichne man sich beim Thema Übergang von der Schule in den Beruf durch zusätzliche Elemente aus, erklärt die didaktische Leiterin Ingeborg Wehrmann. Vor zwei Jahren bereits erhielten die Krefelder dafür das Zertifikat „Starke Schule“ – als einzige Einrichtung im Regierungsbezirk Düsseldorf.
Zwei Stunden in der Woche sind für Berufsorientierung reserviert
Das Konzept ist eine Antwort auf ein großes Problem: „Viel zu wenige Schülerinnen und Schüler gehen in die Ausbildung, sobald sie den passenden Abschluss haben. Und das, obwohl sie dafür eigentlich sehr gut geeignet wären“, so die Pädagogin. Stattdessen blieben sie lieber noch ein paar Jährchen an der Schule. Nach dem Motto: „Da weiß man, was man hat.“ Wertvolle Zeit werde so verschenkt. Um die Jugendlichen der Stufen 9 und 10 aus dieser „Komfortzone“ zu locken und ihnen Alternativen zu zeigen, sind zwei Schulstunden pro Woche der Berufsorientierung vorbehalten.
Die Förderung gliedert sich in fünf Bereiche: „Natürlich bereiten wir auch auf die Zeit in der Oberstufe und ein Studium im Anschluss vor“, betont der Schulleiter. Es bestehen Kooperationen mit Hochschulen und Universitäten. Hervorgehoben wird aber Bereich zwei: „Vorbereitung Beruf“. In den Fächern Design, Technik, Informatik, Wirtschaft, Hauswirtschaft und Sport besteht eine Zusammenarbeit mit zahlreichen Unternehmen und Vereinen. Dazu gehören beispielsweise Canon, Fressnapf, die Sparkasse sowie der SC Bayer Uerdingen und die Senioren-Residenz Bellini. Aber auch kleinere Handwerksbetriebe und Arztpraxen stehen auf der Liste.
Zum Teil findet der Unterricht in den Betrieben statt. Dass die Jugendlichen dafür die Schule stundenweise verlassen, ist explizit gewünscht. Zum Konzept gehört auch ein regelmäßig stattfindender „Berufemarkt“ mit rund 40 Ausstellern.
Bei den Schülern komme das gut an. „Die meisten haben zunächst keine Ahnung, welchen Berufsweg sie einschlagen sollen“, sagt die didaktische Leiterin. Durch die Berufsorientierung bekämen sie das nötige Rüstzeug, um nach der zehnten Klasse eine richtige Entscheidung zu treffen. Doch auch die Wirtschaft scheint zu profitieren. Dem Vernehmen nach rennen Unternehmen der Schule – in Zeiten von Azubi-Mangel und Fachkräfte-Suche – fast schon die Bude ein. An Kooperationspartnern besteht also kein Mangel. Im Laufe der letzten Jahre sei es zu einer Vielzahl an Ausbildungsverträgen und auch späteren Übernahmen gekommen, sagt Michael Schütz.