Krefelder Tafel: „Wir hier machen so etwas nicht“
Aufnahmestopp für Ausländer? In Krefeld weit gefehlt. Ein Ortsbesuch bei der Ausgabe in Stahldorf.
Krefeld. Die Essener Tafel hat entscheiden, nur noch Menschen mit einem deutschen Pass in ihre Liste der Bedürftigen aufzunehmen. Aufnahmestopp für Migranten. Zu groß sei der Ansturm gewesen. Ältere Frauen und Mütter mit ihren Kindern fühlten sich abgeschreckt, hieß es noch. Und wie sieht es in Krefeld aus? Draußen liegen Mülltüten, ein paar Menschen stehen vor der Tür der Ausgabestelle an der Bonifatiusstraße in Stahldorf, wo die Krefelder Tafel am Freitag Lebensmittel an Bedürftige verteilt. Ein Sprachengewirr. Niemand vor der Tür will etwas sagen, sich äußern gegenüber dem Mann da von der Zeitung. Misstrauen, vielleicht auch Scheu. Vier Frauen, die russisch sprechen, drehen sich weg. Andere gehen schnell nach innen. Drinnen sagt ein Mann auf deutsch: „Ich spreche nur russisch und türkisch.“ Andere verstehen erst gar nicht die Frage, oder sagen es zumindest. Englisch? Nur Kopfschütteln. Man fragt sich schon, ob diese Leute die Entscheidung in Essen überhaupt mitbekommen haben.
Innen stehen die Leute Schlange. Nummern werden aufgerufen. Im Hintergrund stapeln sich die Lebensmittel. Enge im kleinen Raum der Pfarrgemeinde. Und mittendrin ist Christa Wagner, seit 16 Jahren Leiterin der größten Ausgabestelle der Tafel. Sie versteht die Entscheidung der Essener Kollegen nicht: „Ich war entsetzt. Wir hier machen so etwas nicht, auch nicht in den schwersten Zeiten.“ Rangeleien kommen schon mal vor, auch hier in Stahldorf. Vor einem halben Jahr gab es Hausverbote gegen ein paar Migranten, die wohl mit Ellbogen-Einsatz sich durchsetzen wollten. So erzählt es Wagner: „Die Leidtragenden waren die Behinderten. Wer sich nicht benimmt, fliegt raus. Übergriffe passieren halt immer wieder mal.“ Tafel-Vorsitzender Hansgeorg Rehbein ist auch da. Er schätzt den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund hier an der Ausgabe in Stahldorf auf etwa 40 Prozent, sonst waren es nur 30 Prozent.
Uwe Stümges sitzt am Tisch, trinkt seinen Kaffee, schaut in die Menge. Ein freundlicher, einladender Mann. „Nehmen se’ Platz“, sagt er. 65 Jahre alt ist er, Bedürftiger seit vier Jahren. Er kann der Entscheidung in Essen etwas abgewinnen: „Ich kann das nachvollziehen. Es wird zu viel. Wenn noch mehr kommen, kriegt der Einzelne noch weniger. Ich bin nicht ausländerfeindlich. Aber alle kommen mit Kindern. Das wird zu viel.“
Bianca Reinartz hilft seit zwei Jahren in der Tafel: „Ich kann es nicht nachvollziehen. Jeder hat das Recht, zur Tafel zu gehen. Übergriffe habe ich noch nicht erlebt. Ich habe keine Probleme.“ Eine ältere Frau mit osteuropäischem Akzent sagt: „Ich bin zufrieden, wie es hier läuft. Frau Wagner hat für alles Lösungen.“
Natalie Fröhlich war auch schon mal bei der Ausgabe an der Kölner Straße zu Gast. Sie sieht die Essener Entscheidung skeptisch: „Ich bin dafür, dass alle gerecht behandelt werden. Es soll keine Unterschiede zwischen Deutschen und Ausländern gegen. Wenn Deutsche durch Ausländer ungerecht behandelt werden, ist das auch nicht gut.“
Der Krefelder Hartz-IV-Bezieher Stephan Schwerwinski meldet sich per Telefon und sagt: „Wir sind keine Rassisten, aber wir Deutschen werden da weggedrängt. Es ist rappelvoll. Man fühlt sich bei der Tafel nicht mehr wohl.“