Lob von der AfD Viel Kritik an Aufnahmestopp für Migranten bei Tafel
Berlin (dpa) - Die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst keine neuen Migranten mehr als Bedürftige aufzunehmen, stößt auf überwiegend heftige Kritik. „Den Essener Weg können wir so nicht nachvollziehen“, sagte der Vorsitzende des Dachverbands der Tafeln, Jochen Brühl, der Deutschen Presse-Agentur.
„Für Tafeln zählt die Bedürftigkeit, nicht die Herkunft“. Ähnliche Fälle in Deutschland seien nicht bekannt. Maßnahmen, mit denen einzelne Tafeln auf großen Andrang reagierten, würden in der Regel für alle Kunden gelten. Andere Tafel-Landesverbände kritisierten den Entschluss ebenfalls. Vor allem aus den Reihen der AfD gab es jedoch auch Zustimmung für die Maßnahme der Essener Tafel.
Bundesweit liegt der Anteil der Tafel-Kunden mit Migrationshintergrund nach Verbandsangaben bei mehr als 60 Prozent. Insgesamt steige die Zahl der Bedürftigen „immer weiter an“, hieß es.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass die Tafel in der Ruhrgebietsstadt Essen seit Mitte Januar nur noch Bedürftige mit deutschem Pass neu in ihre Kundenkartei aufnimmt. Grund sei ein Anstieg des Anteils der Migranten an den Kunden auf etwa drei Viertel. In den vergangenen zwei Jahren hätten sich gerade ältere Tafel-Nutzerinnen sowie alleinerziehende Mütter von fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, hieß es.
Die Vorsitzende des Landesverbands der Tafeln in Rheinland-Pfalz, Sabine Altmeyer-Baumann, sagte, die Entscheidung beschädige das Ansehen aller mehr als 900 weiteren „normal arbeitenden Tafeln“ in Deutschland. „Wir orientieren unser Handeln an der Mitmenschlichkeit und spielen die Bedürftigkeit der vielen Menschen in Berlin nicht gegeneinander aus“, sagte auch die Vorsitzende der Berliner Tafel, Sabine Werth. Ähnlich äußerten sich die Landesverbände in Niedersachsen, Bremen, Hessen, Thüringen, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Hamburg.
Die Essener Tafel hielt trotz der Kritik auch am Freitag zunächst an dem Aufnahmestopp fest. Damit reagierte die Hilfsorganisation nach Angaben des ersten Vorsitzenden Jörg Sartor auf einen Migrantenanteil von mehr als 75 Prozent. „Ich stehe dazu“, sagte Sartor in Essen. Der Schritt sei im Tafel-Vorstand lange diskutiert worden. „Wir wollten erreichen, dass der Weg in die Tafel für alle wieder offen ist“, sagte er. Gerade die älteren Nutzerinnen sowie alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, sagte Sartor. Bei denen habe er teilweise auch „mangelnden Respekt gegenüber Frauen“ beobachtet. Der Aufnahmestopp sei nur eine vorübergehende Maßnahme, „wahrscheinlich nicht über den Sommer hinaus“. „Spiegel Online“ zitierte Sartor mit der Aussage, unter den syrischen und russlanddeutschen Kunden gebe es „ein Nehmer-Gen“.
Mitarbeiterin Rita Nebel beobachtete, dass „Rentner durch junge ausländische Männer eingeschüchtert“ seien. Deutsche Bedürftige sollten durch die Maßnahme die Möglichkeit haben, weiter zur Tafel zu kommen.
„In unseren Augen war der Weg zu uns nicht mehr für alle Menschen offen“, ergänzte Sartor. Ausländerfeindlich sei die Essener Tafel aber nicht. „Es kommen immer noch 4000 Menschen in der Woche, die einen Migrantenhintergrund haben und von uns Lebensmittel kriegen.“
Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in NRW, Christian Woltering, bezeichnete den Aufnahmestopp als „Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten“. Zugleich äußerte er Verständnis für den Druck, unter dem die Tafeln stünden.
Lob für den Entschluss war aus den Reihen der AfD zu hören. „Den schleichenden Verdrängungsprozess alleinerziehender Mütter und älterer Tafel-Nutzerinnen durch die Vielzahl junger, fremdsprachiger Männer an den Ausgabestellen will man so nicht hinnehmen“, kommentierte die Partei auf Twitter. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert teilte mit, Asylbewerber hätten „bei der Tafel nichts zu suchen.“ AfD-Vorstandsmitglied Guido Reil äußerte auf Twitter „Respekt für diesen mutigen Schritt“. Auch Kunden der Essener Tafel äußerten sich am Freitag zufrieden. „Deutsche sollten vorrangig behandelt werden“, sagte eine 54-Jährige.
Die Bundesregierung wollte sich am Freitag nicht direkt zu dem Thema äußern. Sie könne nur „ganz allgemein“ sagen, „dass Deutschland ein Land der Mitmenschlichkeit ist und in diesem Land jedem, der bedürftig ist, geholfen werden sollte“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Ein Sprecher des Sozialministeriums sagte, die Bekämpfung von Armut und die Sicherung des Existenzminimums seien Aufgaben des Staates. Die Tafeln seien lediglich ein „ergänzendes Angebot“.
Der Sozialverband kritisierte, die staatlichen Hilfen reichten nicht aus. Das mache die Tafeln zu Lückenbüßern. Unzureichende Hilfen seien Ursache des Andrangs, sagte Michael Spörke vom nordrhein-westfälischen Landesverband. „Wir brauchen dringend wirkungsvolle politische Maßnahmen zur Armutsbekämpfung“, forderte der Tafel-Deutschland-Chef Brühl.