Krefelds Schrotthaus-Problem

Im Fall Kosmopolit sprechen jetzt die Besitzer der Immobilie. Teil der Erbengemeinschaft blockiert. Kataster soll helfen. Oder Enteignungen.

Foto: Andreas Bischof

Zwischendurch muss René Winkelmann seine Mutter bremsen. Die Nerven. Die Vorwürfe, die Beschimpfungen, die immer neuen Anschuldigungen fordern Tribut. Es war ihr Mann, der vor einigen Jahren verstarb und seine elf Krefelder Immobilien den sechs Kindern hinterließ. Alle Häuser sind mittlerweile wegen des hohen Sanierungsbedarfs so genannte Fokus-Objekte und weitgehend entmietet. Andere fast komplett marode. Darunter die Häuser Lindenstraße 5 und 7, wo Kosmopolit-Pächterin Vera Goosens zuletzt mit viel Mühe die Schließung ihres beliebten Restaurants verhindern konnte. Sicherheitsgründe. In der Öffentlichkeit sind es die desinteressierten Hausbesitzer, die bislang Prügel und Schuld ernten. „Damit“, sagt René Winkelmann, „muss endlich Schluss sein. Wir sind doch machtlos.“

Winkelmann, ein IT’ler, ist gerade zarte 25 und mit der Gesamtsituation eigentlich überfordert, sagt er. „Immer sind wir die Blöden, dabei wissen alle, die unsere Situation kennen, das wir diese Missstände sofort beheben würden, wenn wir könnten. Geht aber nicht.“ Weil die Erbengemeinschaft sich in zwei Fraktionen aufteilt, einen Kölner Teil und einen Krefelder. Die Erben in Köln verspüren laut Winkelmann weder Druck noch Lust, irgendwas mit den Immobilien zu unternehmen, die langsam komplett verfallen. „Entscheidungen können nur gemeinsam gefällt werden, wir Krefelder hängen völlig in der Luft, bekommen aber in unserer Nachbarschaft ständig die Anschuldigungen. Wenn es ginge, hätten wir längst verkauft oder saniert. Denn das Geld dafür ist ja da. Aber eben auch in der Erbschaft eingefroren.“

Das Verhältnis zu Kosmopolit-Pächterin Goosens habe deshalb über die Jahre gelitten. „Zweimal hatte sie die Gelegenheit, den Laden zu kaufen, zweimal hat sie diese nicht genutzt.“ Und die Grünen, die dort ein und ausgingen, schlügen jetzt auch noch politisches Kapital aus der verfahrenen Situation. „Auch die kennen die Sachlage seit Jahren und stellen uns dann so an den Pranger.“ Dazu Fraktionschefin Heidi Matthias: „Wir machen ja nicht explizit die Krefelder verantwortlich, sondern die Eigentümergemeinschaft als ganze, weil sie ihrer Verantwortung als Hausbesitzerin nicht nachkommt. Offensichtlich spielen wirtschaftliche Interessen die größere Rolle.“

Makler Roman Bühner—Lomberg, der die Immobilien der Erbengemeinschaft betreut, stützt die Aussagen Winkelmanns. „Wir haben immer wieder versucht, das gesamte Paket oder Teile zu veräußern und es gab auch Interessenten. Leider macht uns der Kölner Teil der Erbengemeinschaft das Leben schwer.“ Und Winkelmann wünschte sich, die Stadtverwaltung könnte aufgrund der ständigen Sicherheitsbedenken — Heiligabend 2016 stürzte das Dach ein, jetzt musste das Kosmopolit vorübergehend geschlossen werden — Druck auf die Kölner ausüben. „Mir kommt es so vor, als hätten die sich zurückgelehnt. Kann man denn nicht ab einem gewissen Punkt enteignen?“

Eine Frage, die sich offensichtlich auch die SPD-Fraktion stellt. Ein entsprechender Antrag zur Prüfung rechtlicher Möglichkeiten wird am Dienstag im Stadtrat beraten. Michael Heß, als Geschäftsführer von „Haus und Grund“ Vertreter für 5400 Eigentümer in Krefeld, ist vorsichtig optimistisch: „Wir brauchen eine zentrale Erfassung für die Immobilien in der Stadt, ein Kataster, das die Eigentumsstruktur in Krefeld sowie die Geschichten hinter den einzelnen Immobilien widerspiegelt. Man hat die Notwendigkeit erkannt. Schnellschüsse bringen niemandem etwas. Und Enteignungen stehen wirklich am Ende einer langen Kette. Dazu müsste die Verwaltung die entsprechenden Baugebiete als Sanierungsgebiete ausweisen. Aber: Wenn die Stadt das Gebäude dann selbst hat, was dann?“

Andere Städte seien da schon wesentlich weiter. Etwa die acht Kommunen, unter anderen Hamm, Hagen, Köln und Duisburg. „Die haben sich für ein Förderprogramm beworben, bei dem das Land 80 Prozent zum Kauf einer Schrottimmobilie zuschießt.“