Ballett Ein Ballett für Maler wie Matisse und Botticelli

Krefeld · Robert North zeigt in „Farben der Welt“ eine vierteilige Choreografie, die sich jeweils einem Künstler und seinem Werk widmet.

Der Ballettabend „Farben der Welt“ wurde in der vergangenen Spielzeit in Mönchengladbach uraufgeführt. 

Foto: Matthias Stutte

Der Tanz hat oft die bildende Kunst inspiriert. Ein berühmtes Beispiel ist das Bild „Der Tanz“ von Henri Matisse. Von der Malerei inspiriert hat Ballettdirektor Robert North einen vierteiligen Abend geschaffen, bei dem neben Matisse auch die Werke dreier anderer berühmter Maler die Grundlage bilden. „Farben der Welt“ ist eine wunderbare Hommage an die Künstler Sandro Botticelli, Kasimir Malewitsch, William Turner und eben Matisse. Mit Letzterem startet der knapp zweistündige Abend, der jetzt im Theater Krefeld eine umjubelte Premiere feierte.

Vielseitigkeit, hohe Musikalität und die Fähigkeit, komplexe Themen sehr dicht und einprägsam zu gestalten, zeichnen Robert Norths Choreografien seit Jahren aus. So ist es auch hier für den Zuschauer ein besonderes Erlebnis, vier stilistisch ganz unterschiedliche Stücke zu sehen.

Die Choreografien sind zwischendurch sehr witzig

„Miniaturen“ heißt das von Matisse inspirierte erste Stück. Zur Musik von Igor Strawinsky entwickelt sich kurzen Sequenzen eine heitere, bunte Welt. Für die dynamische, teilweise sehr witzige Choreografie hat North sich an Scherenschnittmotiven von Matisse, die neben Tanzszenen auch die Welt des Zirkus widerspiegeln, orientiert. Entsprechend farbenprächtig leuchten auch die Kostüme in Rot, Blau und Grün (Ausstattung Andrew Storer). Eine humorvolle Leichtigkeit kennzeichnen diese Szenen.

Besonderen Charme hat ein Walzer, der durch den Größenunterschied des Paares eine besondere Komik erhält. Nach diesem heiteren Auftakt führt der zweite Teil „Verkündigung“ in die Welt der italienischen Renaissance. In einem leeren, dunklen Bühnenraum entwickelt sich ein dichtes Kammerspiel, bei dem das Bild „Verkündigung“ von Sandro Botticelli Ausgangspunkt ist. Über das Zwiegespräch des Engels mit Maria hinaus entwickelt North eine Geschichte, die in die Zukunft weist. Maria wird das Leben Jesu bis zu seinem Tod am Kreuz in verschiedenen Facetten deutlich gemacht. Man sieht Jesus mit zwei Aposteln und dem späteren Verräter Judas. Zu der hoch emotionalen Musik von Howard Blake, bei der nur die dunklen Klangfarben des Orchesters zum Einsatz kommen, entwickelt sich ein packendes Drama. Die Kostüme schillern in den Farben der Renaissance: ein tiefes Rot für Maria, ein strahlendes Weiß für den Engel, Blau und Grün für die Apostel, ein zartes Rosa für Jesus. Alle sechs Tänzer agieren mit großer Präsenz, allen voran Victoria Hay (Maria) und Marco A. Carlucci (Engel).

Nach diesem emotional sehr berührenden Stück geht es nach der Pause wieder etwas leichter weiter. Das dritte Stück trägt den Namen des Künstlers schon im Titel: Kasimir Malewitsch. In dieser von Robert North neu geschaffenen Choreografie gibt er der Figur des Künstlers selbst viel Raum. Man erlebt Malewitsch (Francesco Rovea) gemeinsam mit seiner Muse (Irene van Dijk) im Atelier. Verschiedene Tänzer, deren Kostüme geometrische Bildmotive zeigen, verkörpern die Elemente, aus denen dann Bilder entstehen. Auch vom Bühnenhimmel schweben verschieden geometrische Formen herab, darunter das für Malewitsch so charakteristische schwarze Quadrat (Bühne und Kostüme Udo Hesse).

Die Musik zu diesem Stück stammt von André Parfenov, der bereits mehrfach für Robert North komponiert hat. Die mal sehr melodische, dann wieder expressive Musik, bei der Glockenklänge eine wichtige Rolle spielen, fängt die Atmosphäre um den russischen Avantgarde-Künstler perfekt ein. Ein komplett stilistischer Wechsel von Tanz und Musik vollzieht sich im letzten Teil. „Tempus fugit“ heißt das zauberhafte Stück, das der Choreograf William Turner widmet. Die zarten Farben der schon impressionistisch angehauchten Aquarelle des englischen Malers der Romantik bilden den Bühnenhintergrund. Davor spielt sich ein temporeiches, heiteres, aber manchmal auch von einer leichten Melancholie gekennzeichnetes Spiel von fünf Paaren ab. Die Kostüme (Philippe Combeau) leuchten in Pastelltönen. Dazu erklingt Musik von Antonio Vivaldi, dessen Heimatstadt Venedig auch ein Thema für Turner war. So ergibt sich auch hier wieder eine innere Verbindung und die Feinheit der Aquarelle Turners spiegelt sich in der feinsinnigen Choreografie, bei der auch Spitzentanz zum Einsatz kommt, wider. Ebenso differenziert und exakt im Tempo interpretieren die Niederrheinischen Sinfoniker die Musik Vivaldis.

Unter der präzisen Leitung von Yorgos Ziavras bewältigen sie auch die stilistisch so unterschiedlichen anderen Kompositionen mit Bravour. So kommt der Musik an diesem Abend ein dem Tanz gleichwertiger Stellenwert zu. Eine besondere Erwähnung verdient auch die unglaublich vielfältige Lichtregie, die zum künstlerischen Gesamteindruck wesentlich beiträgt. Ohne Licht gäbe es auch keine Malerei und hier ist jedes der vier Stücke ein individuelles Kunstwerk für sich. Zusammengefügt zu „Farben der Welt“ ergeben sie ein prächtiges Tableau.