Kultur Musikalischer Tag der Einheit
Krefeld · Beim Konzert im Seidenweberhaus traf Politik auf Musik und Italien auf Deutschland.
Die Liebesbeziehung zwischen Politik und Musik ist eine lange, bisweilen problematische, die aber immer wieder auch auf Gegenseitigkeit beruhte. Negative Ausnahmen ausgenommen, in denen Musik als Propaganda missbraucht wurde oder umgekehrt sich als solche gebärdend versuchte, selbst Politik zu machen – doch selbst da gibt es wiederum auch Ausnahmen.
Schlussendlich ist gerade Kunstmusik eine Ausdrucksform, die eine derart universelle Sprache spricht, die vor allem den Geist, die Seele berührt, dass sie in einer ganz anderen Sphäre zu schweben scheint, als die doch sehr realen Belange von Politik. Und wie erfreulich, dass bei dem Konzert zum Tag der Deutschen Einheit im Seidenweberhaus die verbindende universelle und vor allem, die, das Partikuläre transzendierende Kraft von Musik im Vordergrund stand. Obwohl hier ganz bewusst Politik auf Musik traf.
Natürlich gab es in der Ansprache von Oberbügermeister Frank Meyer einen dem Tag angemessenen Schwerpunkt auf die Ereignisse des Mauerfalls vor 30 Jahren, natürlich sprach er von der historischen Bedeutung, von der Energie, die diesem Neubeginn innegewohnt haben mochte, aber auch von den Herausforderungen, mit denen uns aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen konfrontieren. Optimismus sei bisweilen verschwunden, neue Mauern und neue Ängste würden das Bild von der Zukunft bestimmen. Gerade deshalb sei es nötig, auf die positive Kraft von Einheit, auch europäische, ja weltweite „Einigung“ zu setzen. Diese entstehe durch vielfältige persönliche Kontakte, durch persönliche Nähe. So habe man die Kontakte zu den Niederlanden intensiviert, und bewusst mit Blick auf den „Brexit“ auch die Beziehungen zu der englischen Partnerstadt Leicester gestärkt. Doch – und das ist zentral – betonte dieser Abend und auch der OB die einende Eigenschaft von Kunst und Kultur; ihr falle eine wichtige Rolle in der Integration zu, und dies in beide Richtungen.
Nicht ohne Grund war das Partnerland dieses Konzertes Italien, das sich nicht nur programmatisch, im Solisten des Abends Rafaelle Franchini, dem Dirigenten Simone Valeri, sondern auch an der Anwesenheit des italienischen Generalkonsuls Pierluigi Ferraro ablesen ließ. Der übrigens auch selbst Grußworte an das bestens gefüllte Seidenweberhaus richtete. Und vielleicht einer der Gründe, der Anlass, für diese Wahl des Partnerlandes Italien: „Bei uns in Krefeld leben aktuell 3856 Menschen mit italienischem Migrationshintergrund – das sind prozentual fast doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt“, sagte Meyer und betonte: „Aus den Gastarbeitern von damals sind die Freunde und Nachbarn von heute geworden – und mitsamt ihren Kindern und Enkeln sind sie längst ein fester Bestandteil dieser Stadt.“ Eine solche Migrationsgeschichte, die Mitte der 1950er-Jahre begann, dürfe Mut machen in den leider oft destruktiv geführten Debatten über Einwanderung.
Musikalisch traf Italien auf Deutschland. Vor der Pause spielten die Niederrheinischen Sinfoniker zunächst Puccinis noch etwas tapsiges, aber zuckersüßes Frühwerk „Preludio sinfonico op.1“ mit aber treffendem Esprit. Schöne Phrasierung und Feingefühl, die ihnen Simone Valeri mit ehrliche Musikalität ausstrahlender Attitüde abforderte, ließ die Partitur bisweilen in warm-goldenen Tönen aufblühen. In Respighis „Adagio con variazioni“, das ebenfalls seine Wurzeln in einem frühen Werk hat, agierte der in Verona geborene Solocellist der Sinfoniker Franchini als Interpret gemeinsam mit seinem Orchester.
Schließlich gehörte der zweite Teil des Abends Johannes Brahms´ 3. Sinfonie F-Dur op. 90, das die Niederrheinischen Sinfoniker, diesmal unter der Leitung ihres Chefs Mihkel Kütson, zum Klingen brachten. Mit großzügigen Bögen, bisweilen etwas verschluckten Schlenkern, aber mit mitreißender Zugkraft, spielten sie einen wenig überraschenden, aber leidenschaftlichen Brahms. Eine Leidenschaft, die diese Musik durchaus fordert. Doch, Brahms braucht Seele bis ins kleinste Detail und manchmal mehr Luft zum Atmen. Wenngleich es durchaus beachtliche Soli in den Bläsern zu vernehmen gab. Eine würdige Feier.