Buch: Herbert Genzmer - Bei der Lektüre wird es kalt
„Abzittern“ heißt der neue Roman von Herbert Genzmer.
Krefeld. "Lange schon habe ich mich nicht mehr so gut und frisch gefühlt." Wer so etwas sagt, dem bleibt der Ärger auf den Fersen; wer so etwa spürt, der spürt auch die schwarzen Wolken, die am Lebenshorizont dräuen. Und so donnert der unbesorgte Schriftsteller Beck Richtung Süden.
"Abzittern" heißt der neue Roman des in Krefeld geborenen Autors Herbert Genzmer, der in diesen Tagen im "Mitteldeutscher Verlag" (240 S., 19 Euro) erscheinen wird.
"Abschwirren, abzittern, einfach weg sein." Nur selten bietet sich einem solch eine verführerische Möglichkeit des Ausbruchs: Der Auftragsschreiber und Ghostwriter Gerald Beck stellt seine Dienste dem umstrittenen Guru und Wunderheiler Pentland zur Verfügung. Mit zwanzigtausend Euro in der Tasche und seinem Laptop auf dem Rücksitz saust er über die Autobahn. Madrid und Lissabon vor sich, das muffige Düsseldorf und seine keifend kontrollierende Frau Marion hinter sich.
Doch die Euphorie bleibt aus, Angst und Verunsicherung nehmen Platz in der verwirrten Seele Becks. Zuflucht findet er in der Virtualität: Im Sexchat verfällt er einer Frau, aus einer Entdeckerlaune wird eine Spiel- und Sexsucht. Wie ein Dokumentarist protokolliert er den kalten, drängenden Ton dieser Chats, die unverblümte Direktheit. Aus der Sexsucht wird ein Wahn. Beck möchte diese virtuelle Beziehung Wirklichkeit werden lassen und reist zurück nach Deutschland.
In "Abzittern" findet der Niederrheinische Literatur-Preisträger Genzmer erneut diesen lakonischen Krimi-Ton. Bis in die intimsten Schilderungen folgen wir einer Ich-Auflösung, sehen, wie sich Wahrnehmungen verschieben, alte Relevanzen auflösen, neue entstehen.
Nervös legt man den Text nachts um halb vier aus der Hand und ist fast bereit, zu beten, dass die Sonne wieder aufgehe. So kalt ist einem bei der Lektüre dieses empfehlenswerten Buches geworden.