Lieblingsbild: Zutiefst berührende Begegnung
Historiker Reinhard Feinendegen spricht im Kaiser-Wilhelm-Museum über ein Glasbild von Jan Thorn Prikker.
Krefeld. Sein Krefelder Lieblingskunstwerk ist dem Historiker Reinhard Feinendegen in Linnich begegnet. In einer Ausstellung im dortigen Glasmuseum stand er plötzlich vor einer "Ecce Homo"-Darstellung von Jan Thorn Prikker. Der Vermerk "aus der Sammlung des Kaiser-Wilhelm-Museums" führte jetzt zu einem Vortrag Feinendegens im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Prominente Krefelder sprechen über ihr Lieblingskunstwerk".
Der bekannte Heimatforscher und Historiker Feinendegen folgte damit einer Einladung der Freunde der Krefelder Kunstmuseen, die diese beliebte Reihe initiiert haben. Wie immer wird das Kunstwerk im Vorfeld nicht verraten und so folgten die interessierten Kunstfreunde Feinendegen ins zweite Obergeschoss, wo das große Glasbild eigens für den Vortrag präsentiert wurde.
Die Begegnung mit dem Bild habe ihn zutiefst berührt, so Feinendegen. Deshalb ließ er zu Beginn das Publikum einige Minuten das Werk in Stille betrachten. Dann folgte ein äußerst informativer und in die Tiefe gehender Vortrag, der sowohl kunsthistorische als auch theologische Facetten beleuchtete.
Das 1912 entstandene Glasbild kam um 1920 in die Sammlung des Museums, das viele Arbeiten des berühmten Künstlers, der von 1904 bis 1910 in Krefeld lehrte, besitzt. Die "Ecce Homo"- Darstellung hat in der bildenden Kunst von Dürer bis in die Moderne eine lange Tradition. "Seht, welch ein Mensch" lautet bei Luther die Übersetzung der Worte des Pilatus, als er vor der Kreuzigung Christus dem Volk präsentiert.
Thorn Prikker wandelt die übliche Darstellungsweise ab. In seinem Glasbild, das eine sehr expressive Linienführung aufweist, steht der Christuskopf im Zentrum. Verschiedene Attribute, wie die Wundmale an den schmalen Händen, beziehen bereits die Kreuzigung mit ein. Blut fließt aus ihnen, das sich im unteren Drittel des Bildes zu einer leuchtend roten Fläche verdichtet. Hier befindet sich die Inschrift "sic deus dilexit mundum", was die Gottesliebe und den Erlösungsgedanken in den Vordergrund schiebt. Zusammen mit der Darstellung des Herzens direkt unterhalb des Gesichts wird hier neben dem leidenden Christus auch der König und Erlöser thematisiert.
Das Spiel der leuchtenden Farben, vor allem die reliefartigen bunten Glasprismen, die das Herz und die Partie um den Kopf auszeichnen, weisen ebenfalls in eine überzeitliche Aussage. Mehr Andachtsbild als ein erzählerisches Werk sei das Bild, so Feinendegen. Wichtiges Indiz dafür ist die auffallend gestaltete Augenpartie, die in dem Gewirr der Bleistege und Linien einen schon in die Nähe des Überirdischen gerückten, fast magischen Blick erkennen lässt.
Der Faszination dieses ungewöhnlichen Bildes von Thorn Prikker erlag auch das Publikum, was in dem angeregten Gedankenaustausch im Anschluss zum Ausdruck kam.