Die verführerischen Worthülsen der Politiker
Das Theater am Marienplatz zeigt im Oktober „Der Tribun“ von Mauricio Kagel.
Im Januar 2007 hat Pit Therre im Theater am Marienplatz (Tam) zuletzt Mauricio Kagels Hörspiel „Der Tribun — für einen politischen Redner, Marschklänge und Lautsprecher“ in einer szenischen Fassung gezeigt. Damals schrieb die WZ zur Aufführung, das Stück wirke „nicht mehr zeitgemäß“. Im Oktober steht das Stück mit Therre als Akteur wieder auf dem Spielplan des Tam, es erscheint aktueller denn je.
Kagels Stück ist ein sprachanalytischer Kommentar zur Sprache totalitärer politischer Führer. In unserer Zeit, in der der Typ des autoritär ausgerichteten Politikers wieder vermehrt auftaucht, gewinnt der Text erstaunlich an Wucht. Da ist es egal, ob man nach Polen, Ungarn oder in die USA schaut — und auch manch ein AfD-Redner könnte sich wiedererkennen.
Pit Therre gibt den Tribun. Er sitzt hinter einem von Lautsprechern flankierten Schreibtisch, auf der Arbeitsfläche befinden sich auch CD-Spieler. Beifall und Musik als Reaktionen auf seine Reden spielt er sich gleich selbst ein.
Seine Themen zieht er sich aus einem Karteikasten. Er räsoniert über „Freiheit“, „Volk“, „Grenzen“ und so weiter. Dabei entpuppt er sich schnell als Tyrann, der Worthülsen aneinanderreiht. Als Redner schafft er es, inhaltlich völlig unpräzise zu bleiben, gleichwohl aber Stimmung zu erzeugen und seine potentiellen Zuhörer verführerisch für sich einzunehmen.
Das Theater am Marienplatz setzt mit „Der Tribun“ seine Reihe mit Werken von Mauricio Kagel (1931-2008) fort. Kagels Hörspiel wurde 1980 in einer vom WDR mit dem Komponisten und Autoren selbst produzierten Fassung mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet. kMs