Ein großes Musikerlebnis
Die lettische Organistin Iveta Apkalna gastierte in St. Dionysius.
Dass es mühsam bis aussichtslos ist, Karten für Konzerte in der Hamburger Elbphilharmonie zu bekommen, wissen Musikfreunde schon längst. Da konnte Andreas Cavelius in seiner Begrüßung in St. Dionysius großes Musikerlebnis ohne Kartenfrust und Reisekosten anbieten. „Mit Iveta Apkalna haben wir heute einen Weltstar an der Orgel. Sie ist Dozentin für Orgel in Berlin und Titularorganistin an der Klais-Orgel der Elbphilharmonie Hamburg. Wenn wir nicht in die Elbphilharmonie kommen, dann kommt sie eben zu uns.“ Anschließend konnte er nicht minder mit Stolz verkünden, dass dieses Konzert noch eine kleine Uraufführung in St. Dionysius beinhalten würde, „denn der amerikanische Komponist Philip Glass ist hier noch nie erklungen“.
Selbstverständlich hat Apkalna das Motto B-A-C-H des Internationalen Orgelzyklus 2018 an der Klais-Orgel von St. Dionysius in ihrer Programmauswahl berücksichtigt; sie bietet im Wechsel Werke des 1937 geborenen Philip Glass mit solchen von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Beschwingt, fast schon tänzerisch akzentuiert beginnt sie mit Bachs Fantasie in G-Dur BWV 572. Dann bekommt das Orgelstück einen festlich würdevollen Charakter mit entsprechender Registerwahl. Es folgt der musikalische Exkurs in die Neue Welt zur zeitgenössischen Musik mit „Satyagraha. Act III — Conclusion“. Satyagraha bedeutet „beharrliches Festhalten an der Wahrheit“ und ist Titel einer 1980 uraufgeführten Oper von Glass über Gandhi. Michael Riesmann arrangierte das Orgelwerk.
Weiche Klänge mit meditativem Charakter schweben durch den Kirchenraum. Die Beharrlichkeit wird deutlich, indem sich eine bestimmte wie prägende Tonfolge wie kleine, sich kräuselnde Wellen ständig wiederholt. Doch es entsteht keine Monotonie. Sondern langsam wird Spannung aufgebaut, indem neue, jedoch ähnlich klingende Register hinzukommen. Über eine längere Zeit baut sich fein an Lautstärke zunehmend eine große Klangwelle auf, die dann wieder verebbt und sich anschließend wieder neu aufbaut. Apkalna lässt das Stück zu einer Entdeckung werden.
Nach Vertrautem fürs Ohr — Präludium und Fuge in Es-Dur BWV 552 — spielt sie von Glass „Music in Contrary Motion“. Hierbei zieht sich ein „flatterndes“ Motiv im hohen Tempo durch das Stück; die Richtung der Minimal-Musik ist unüberhörbar. Bei der ständigen Wiederholung, „Beharrlichkeit 2“ könnte man sagen, entsteht zunehmend die Assoziation an eine Maschine, vielleicht das Rattern einer Industrie-Nähmaschine. Unter Apkalnas Händen wird dieses Stück zu einer meisterlich ausgeführten Übung der Geläufigkeit — und dies von einer Ausdauer, als wolle sie einen Guinessbuch-Rekord brechen.
Abrupt endet das Stück mit seinem rasanten Fluss. Als Kontrast bietet die Organistin zum Schluss noch die Passacaglia in c-Moll BWV 582. Gewichtig und getragen kommt das Werk zu einem voluminösen Schlussakkord. Der setzt sich in einem kräftigen Applaus fort, den viele Hände zustande bringen. Dieses Konzert ist schließlich sehr gut besucht.