Krefeld Ein Meister, der auf alles pfeift

Der Niederländer Geert Chatrou ist der Star beim Neujahrskonzert der Niederrheinischen Sinfoniker unter Leitung von Mihkel Kütson.

Foto: Mark Mocnik

Krefeld. Von roten und weißen Blüten gerahmt nehmen die Niederrheinischen Sinfoniker ihr Publikum im Theater mit auf die musikalische Reise rund um den Globus und noch weiter. So beginnen die traditionellen Neujahrsgrüße aus aller Welt nach der Ouvertüre aus Mozarts Zauberflöte mit einem Abstecher in die Hölle. Hier schwört die Königin der Nacht Rache, doch keine Sängerin übernimmt diesen Part, sondern der Kunstpfeifer Geert Chatrou. Aus seinem Mund klingt die Rache-Arie etwas weniger bedrohlich, da die bösen Worte eben fehlen.

Erstaunlich, welch großes Ton- und Klangrepertoire ein Pfeifen haben kann. Die Feinheiten der furiosen Koloraturarie kommen auch bei dem mehrmaligen Weltmeister im Kunstpfeifen heraus. Er pfeift auch freundlich und nett, wenn er mit dem Geiger Philipp Wenger das Blumenduett aus Lakmé von Léo Delibes zum Besten gibt.

Die Streicher der Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Mihkel Kütson bieten dabei einen zurückhaltenden Rahmen. Mit ganz viel Gefühl, so wie es bei italienischen Arien vorgesehen sein kann, pfeift er unterstützt von Harfenklang Puccinis Arie der Lauretta „O mio babbino caro“.

Dann wechseln die Musiker das Fach und zaubern eine Zirkusatmosphäre in den Saal. Nun auch von Dominik Lang am Marimbaphon begleitet, zwitschert Chatrou das „Souvenir de Cirque Renz“ von Gustav Peter (ca. 1833 - 1919). Der Spaß an der Musik lässt auch die Instrumentalisten neben ihrem Spiel auch noch eine spontane Sangesfreude ausleben. Die Stimmung im Saal und auf der Bühne sind bestens.

Generalintendant Michael Grosse als nicht minder traditioneller Moderator des Neujahrskonzertes bringt es auf den Punkt: „Wir sind voller Bewunderung für Ihre Kunst, Herr Chatrou!“ Das seltene Musikerlebnis soll noch mit einem Mini-Pfeif-Workshop gesteigert werden. Chatrou gibt einen Ton vor, mindestens drei Dutzend verschiedene Töne kommen aus dem Saal zurück. „Die Töne, die Sie pfeifen, sollen der sein, den ich pfeife!“, meint der Niederländer bei den Vogelhaus-Impressionen. Auf nennenswerte Unterstützung kann er bei dem Vortrag seiner Eigenkomposition „La Fête et la Belle“ nicht rechnen.

Chatrou legt sich allein wieder mächtig ins Zeug und präsentiert den Csárdás von Vittorio Monti (1868 - 1922) so wie man ihn von Flöte oder Geige in Höhen und Tonsprüngen gewöhnt ist. Er trillert den Tanz in faszinierender Weise und auch seine Zugabe, ein ungarischer Tanz von Brahms kommt nicht minder temperamentvoll daher.

Die zweite Programmhälfte mit den musikalischen Neujahrsgrüßen bietet Spanisches ohne Pfiffe und auch ohne Worte. Das Intermedio aus „La boda de Luis Alonso“ von Gerónimo Giménez (1854 - 1923) hat als untrügliches Klangzeichen die Kastagnetten in der Partitur. Der Armenier Aram Chatschaturjan (1903 - 1978) steuert spanische Klänge mit seiner Suite „Die Witwe aus Valencia“ bei. Die Suite erscheint wie Filmmusik für großes Kino, eine lebenslustige Witwe hat da ihr musikalisches Denkmal bekommen.

Zum offiziellen Abschluss macht man noch einen Sprung über den Großen Teich nach Mexiko. Ein flotter wie beschwingter Marsch aus Zacatecas von Genaro Codina (1852 - 1901) beweist — wie die musikalische Weltreise zuvor, dass sich die Niederrheinischen Sinfoniker mit ihrer interkulturellen Kompetenz in allen Musikwelten perfekt bewegen können. Der begeisterte Applaus entlockt ihnen noch eine flotte Zugabe und dann folgt der unvermeidliche Radetzky-Marsch.