Kultur Eine grandiose Reise zum Mond und zurück

Die Operette „Frau Luna“ feierte jetzt eine umjubelte Premiere im Stadttheater.

Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Für den Berliner Arbeiter Fritz Steppke ist etwas klar: „Politiker leben hinter dem Mond!“ Gerne würde er ihnen persönlich seine Meinung sagen. In Paul Linckes populärer Operette „Frau Luna“ träumt Steppke sich auf den Mond. In der Inszenierung von Ansgar Weiner, die jetzt im Krefelder Theater eine umjubelte Premiere feierte, wechselt er nur das Stadtviertel. Von seinem Kiez in Neukölln geht die imaginäre Reise ins Zentrum der politischen Macht nach Berlin-Mitte.

Doch mit plumper Aktualisierung hat das glücklicherweise nichts zu tun. Denn der Regisseur hat das etwas angestaubte Revue-Stück von 1899 mit feinem Humor und Respekt für das Genre Operette zu einem kurzweiligen und intelligenten Unterhaltungsstück gemacht.

Frau Luna

Die Anspielungen an die Gegenwart werden nicht überstrapaziert und von Beginn an wird Auge und Ohr viel geboten. Bereits die auf Prospekten gemalte Wohnlandschaft des Kiez mit unzähligen Satellitenschüsseln (Bühne Jürgen Kirner), die nachts zu leuchten beginnen, bietet einen passenden Rahmen für die Stammkneipe Steppkes (Markus Heinrich), wo er mit seinen Freunden Lämmermeier (Rafael Bruck) und Pannecke (Hayk Dèinyan) von der großen Politik träumt. Mit seinem Aktionsbündnis „Bewegung für Jerechtigkeit (hochdeutsch Gerechtigkeit) und Liebe zwischen den Menschen“ traut er sich sogar zu, Bundeskanzler zu werden. Deutlich nüchterner sehen das Frau Pusebach (Kerstin Brix) und deren Nichte Marie (Susanne Seefing), die mit Steppke befreundet ist. Marie warnt Steppke davor, von „Schlössern, die im Monde liegen“ zu träumen.

Die walzerartige Melodie ist wohl der schönste musikalische Ohrwurm in dem Stück. Trotz der charmanten Warnung träumt Steppke sich in das Reich der Frau Luna, das mit großer Kuppel, die den Blick in den Himmel freigibt, ganz entfernt an den Berliner Reichstag erinnert. Präzise wie Beamte, wuseln dort die Putz-elfen durchs Gebäude und freuen sich auf ihre Mittagspause. In weißen, sehr fantasievollen Kostümen (Marlis Knoblauch), agiert der Chor dabei sehr spielfreudig. Der überaus geschäftige Theophil (Matthias Wippich) führt hier das Regiment. Trotzdem hat er noch Zeit, an sein kleines irdisches Abenteuer im Tiergarten mit Frau Pusebach zu denken.

Mit dem köstlichen Lied „Oh Theophil, oh Theophil!“ hatte sich zuvor auch Frau Pusebach tränenreich an diese Begegnung erinnert. Kerstin Brix macht nicht nur aus diesem Auftritt ein kabarettistisches Schmankerl. Im Reich der Frau Luna, das so abgehoben und mit all den menschlichen Eitelkeiten und Schwächen, die hier deutlich werden, auch so vertraut wirkt, tummeln sich auch Stella (Gabriela Kuhn) und Prinz Sternschnuppe (Michael Simon). Er will endlich an die Macht kommen und vertreibt sich herrlich blasiert die Zeit mit dem signieren seiner Autobiografie. Sie ist die Referentin Frau Lunas, streng und liebenswürdig zugleich.

Die Chefin erscheint erst im zweiten Teil persönlich. Ganz in Gold gekleidet ist Janet Bartolova eine elegante und glamouröse Erscheinung, mehr Mondgöttin als Politikerin. Doch wenn sie zu ihren Neujahrsansprachen mal einen schwarzen und mal einen roten Blazer überstreift, ist die Anspielung gelungen. An Steppke hat sie mehr ein privates Interesse, was dieser jedoch erfolgreich abwehrt. Mit dem Walzer „Verschmähte Liebe“ hat der Regisseur den beiden Darstellern ein Duett gegeben, das aus einem anderen Stück Linckes stammt und einen neuen Text bekommen hat. Zur Einstimmung auf das verunglückte Rendezvous tanzt das Ballett-Ensemble eine witzige Choreografie (Luches Huddleston) in silbrigen Schwimmanzügen und Erdball-Luftballons. Später motiviert Frau Luna ihre Anhänger mit einem fröhlichen Marsch: „Ist die Welt auch noch so schön, einmal muss sie untergeh’n.“

Mit dem ewigen „Kronprinzen“ und Rivalen Sternschnuppe gründet Frau Luna eine „interstellare Koalition“, während Steppke von der Stimme seiner Marie wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt wird. Er erkennt, dass er auch in seinem Kiez einiges in Sachen „Jerechtigkeit und Liebe“ bewirken kann. Mit dem bekanntesten Schlager aus dem Stück, der „Berliner Luft“ endet der zweistündige Abend. Die Niederrheinischen Sinfoniker unter Alexander Steinitz machen nicht nur dieses Lied zum Hörvergnügen. Ein spielfreudiges Ensemble, ein bestens agierender Chor und die witzigen Tanzeinlagen runden den Abend ab. Unterhaltung auf hohem Niveau, die zeigt, dass Operette auch heute nicht verstaubt sein muss.