Fesselnde Erzählung über Ulrike Meinhof

Bei diesem Literarischen Sommer rinnt der Schweiß: Jutta Ditfurth liest in der Fabrik Heeder.

Krefeld. "Sie werden mit der Ungerechtigkeit leben müssen, dass ich einen Ventilator habe - und Sie nicht." Das Publikum in der übervoll besetzten Fabrik Heeder arrangierte sich damit, schwitzte still vor sich hin und hörte geduldig zu. Denn mit allem hatte man gerechnet an diesem schwül-warmen Abend - nur nicht damit, dass die entschiedene politische Journalistin Jutta Ditfurth zugleich eine fesselnde Erzählerin ist.

"Ulrike Meinhof. Die Biographie" heißt ihr Buch selbstbewusst, mit dem sie jetzt im Rahmen des Literarischen Sommers eingeladen wurde. Es galt etwas wegzuräumen: Die sattsam bekannten Klischees über die verirrte Journalistin Meinhof. Dass sie nämlich, aufgewachsen im anti-faschistischen Elternhaus, eher aus der privaten Enttäuschung über ihre Ehe denn aus dezidiert politischen Gründen in den Terrorismus geschliddert sei.

Sechs Jahre intensive Recherche und das Studium von insgesamt 7000 Quellen zeigten Ditfurth: Alles Legende, jeder kocht sein eigenes Meinhof-Süppchen. Meinhofs Familie war tief im Nationalsozialismus verstrickt und ihre liberalnationale Tante, Verfasserin zahlreicher GeschichtsSchulbücher, bei der die frühe Waise Ulrike aufwuchs, führte Daheim ein rigides Regiment.

"Barfuß-Recherche" nennt Ditfurth ihr beharrliches Nachgehen jeder Spur, ihr Klopfen an jeder Haustür - die leicht erzählte Rekonstruktion dieses deutschen Lebens macht deutlich, wie sehr doch die Täuschungen und die Selbstlüge der Mörtel bundesdeutscher Nachkriegsbiographien ist. Noch die Ärzte, die Meinhofs Tod notierten, waren ehemalige SS-Schergen.

Wer aber glaubte, hier würde eine entschieden linke Journalistin sich ihre Säulenheilige bauen, sah sich schnell getäuscht: Ebenso fakten- wie kenntnisreich unterlegte Ditfurth ihre Thesen und beantwortete dem interessierten Publikum oft mit hanseatischen Humor noch lange Fragen. Bis zum letzten Schweißtropfen, dann stürmte man nahezu geschlossen in den Biergarten.