Interview: Isa Fleischmann-Heck über gesticktes Gold
Die kommissarische Leiterin des Textilmuseums über die aktuelle Ausstellung und die Sammlung.
Krefeld. Zu den 30 000 Objekten in der Sammlung des Deutschen Textilmuseums gehören auch 230 mittelalterliche Stickereien. Einige der teils über 700 Jahre alten Stücke werden noch bis Sonntag in einer Ausstellung präsentiert. Die kommissarische Leiterin des Museums, Isa Fleischmann-Heck. spricht über Stickerei als Kunst und Statussymbol und die Bedeutung der Sammlung.
Frau Fleischmann-Heck, selbst Laien können auf den ersten Blick erkennen, dass zahlreiche Exponate der Ausstellung sehr filigran gearbeitet sind. Wer konnte sich im Mittelalter und der frühen Neuzeit solche Arbeiten leisten?
Isa Fleischmann-Heck: Stickereien konnten sich ausschließlich Angehörige wohlhabender Schichten leisten: der Klerus, der Adel und das zu Reichtum und Ansehen gelangte Bürgertum.
Können Sie ein Beispiel nennen, welchen Wert eine aufwändige Stickerei hatte und wie lange daran gearbeitet wurde?
Fleischmann-Heck: Eine fein in Seide und Gold gearbeitete Stickerei wurde mit Gold aufgewogen und diente nicht selten als Pfand oder Kreditwert. Denn neben dem reinen Materialwert — der ja bei einer Goldstickerei immens war — kam die Arbeitsleistung des Webers und des Stickers hinzu. Wir können davon ausgehen, dass an einer aufwändigen Stickerei lange, sehr lange gearbeitet wurde, da die üblichen Qualitätsvorschriften der Zünfte beispielsweise die Arbeit ausschließlich bei Tageslicht vorschrieben.
In der Ausstellung werden Exponate gezeigt, die zwischen 500 und 700 Jahre alt sind. Wie werden Textilien so lange konserviert?
Fleischmann-Heck: Zunächst ist es erst einmal der Zufall oder die sehr sorgfältige und geschützte Aufbewahrung, etwa in Familien-besitz. Die Stücke sind zum Teil so gut erhalten, dass für die Ausstellung bei einigen keine konservatorischen Maßnahmen nötig waren. Hier im Museum werden die Stickereien im Archiv in einem konstanten Klima und licht- sowie staubgeschützt aufbewahrt. Sie nehmen innerhalb der Sammlungsbestände Europas eine besondere Stellung ein — wegen ihrer Vielfalt und des außerordentlichen Erhaltungszustands.