Jens Pesel kehrt zurück - Und ewig lockt das Theater
Jens Pesel ist wieder in der Stadt. Der langjährige Intendant inszeniert „Hedda Gabler“.
Krefeld. Manchmal ertappt er sich dabei, wie er einfach durchläuft, hoch in den zweiten Stock. Dort hatte Jens Pesel 14 Jahre lang sein Intendantenbüro: „Das hat wohl neuronale Spuren hinterlassen.“ Andere Spuren, die emotionalen, entdeckt er in Gängen und Büros, in der Technik, beim Pförtner, im Ensemble: „Es ist schön, freundlich begrüßt zu werden. Und es ist nicht selbstverständlich.“
Für jemanden, der so lange Chef war, hat Pesel erstaunlich wenige Scherben hinterlassen, die er nun bei seiner Rückkehr zur Seite fegen müsste. Sein Nachfolger Michael Grosse hat ihn als Regisseur engagiert — auch das hat man an deutschen Theater schon anders erlebt. „Das war ja keine feindliche Übernahme“, sagt Pesel über den harmonischen Übergang.
Der 65-Jährige probt in der Fabrik Heeder das Drama „Hedda Gabler“ von Henrik Ibsen, die Premiere ist am 25. Juni. „Das ist ein unglaublich starkes Stück“, sagt Pesel. „Man wird nie ganz fertig.“ Vor allem die Hauptfigur hat es ihm angetan, trotz oder wegen ihrer Boshaftigkeit und Kaltherzigkeit, ihrer „Kreativität im Destruktiven“, wie er sagt:
„So im Dreck zu wühlen, ist lustvoll. Man kann Hedda sogar dafür lieben, dass sie das Negative wagt.“ Als „weiblichen Dandy“ will er sie zeigen, als selbst erfundenes Gesamtkunstwerk, dem es letztlich an Mut und Stil fehlt.
Ähnlich wie die Titelheldin, ist für Pesel das gesamte Stück zweideutig und doppelbödig: „Jeder Gedanke trägt seinen Widerspruch schon in sich“, sagt er. Neben der Tragik der Handlung will er die Komik herauskitzeln: „Der erste Akt ist noch nicht aus, schon fällt die zweite Blumenvase.“
Genau das liebt Pesel am Theater; dass es ihm die ganze Palette menschlichen Verhaltens vor Augen führt, dass es die ewige Neugier auf die menschliche Natur mit immer neuen Antworten befriedigt und die nächsten Fragen gleich dazu liefert.
Bis zu fünfmal pro Woche geht er ins Theater — und genießt es, dort nur zu genießen, statt im Hinterkopf schon die neue Spielzeit zu planen: „Ich bin nicht richtig zur Ruhe gekommen“, gesteht Pesel. „Aber mein Grundzustand hat sich verändert. Es ist angenehm, sich nicht mehr für alles verantwortlich zu fühlen.“
Stattdessen — und genau so hatte er sich das ja gewünscht — widmet sich Jens Pesel wieder ganz der Kunst. Er hat in Essen und Meiningen inszeniert, auch für seine Wahlheimat Hamburg hat er ein Angebot. Dort wohnt er drei Fußminuten von der Alster entfernt, in „angenehmer Anonymität“, wie er sagt.
Ein Rückzug ist das nicht, das würde sich wie Verschwendung anfühlen: „Es wäre traurig, den eigenen Fundus an Wissen, Erfahrung und Gelassenheit nicht zu nutzen. Das passiert in unserer Gesellschaft leider zu vielen Menschen.“