Kaiser-Wilhelm-Museum: Schnäppchenjagd im Kultur-Tempel

Das Kaiser-Wilhelm-Museum veräußert alles aus dem Inventar, was nach dem Umbau nicht mehr „zu gebrauchen“ ist.

Krefeld. Eine Frau trägt einen Spiegel über den Westwall, zwei junge Männer schleppen Scheinwerfer davon. „Keine Zeit, keine Zeit“, rufen sie wie der Hase aus „Alice im Wunderland“: Im Kaiser-Wilhelm-Museum ist Ausverkauf. Wegen der anstehenden Renovierung sind alle Kunstwerke und Bücher schon ausgelagert.

„Hier werden nun die Dinge verkauft, die weder inventarisiert sind, noch im umgebauten Museum zu gebrauchen sind“, sagt Silvia Martin, die stellvertretende Museumsleiterin. Sie steht gerade mit einem Ehepaar in Verhandlung über ein Kiste: Transportprobleme. Aber kaum zehn Minuten später klebt ein Zettel auf der Kunstkiste: „Verkauft“. Sie haben das Problem gelöst.

So auch Winfried Denter, der mit einem kleinen Schränkchen an der Tür steht. Seine Frau holt schon mal den Wagen, und er träumt von Überraschungen. Denn zu dem schönen Stück mit feinem Giebel („Das ist vielleicht Mahagoni“) fehlt der Schlüssel zum goldenen Schlüsselloch. 80 Euro sind dafür wahrhaftig nicht zu viel.

Schon um 12.30 Uhr standen die Leute Schlange auf dem Westwall und stürmten durch die Glastür. Jetzt geht die Schlange aller derjenigen, die was gefunden haben, durch das ganze ehemalige Museumscafé.

Die Dame mit dem Spiegel steht noch mal an, vorsichtig schiebt sie mit dem Bein einen schweren Bilderrahmen vor sich her. Ein bisschen neidisch schauen die anderen auf ihre Nachbarin. Sie hat wunderbare alte, in schwarz gebundene Textbücher gefunden. Die letzten.

An der Kasse vorbei ist schon Anja Heidenheim. Sie hat einen quadratischen Plexiglasrahmen erstanden. „Der ist für eine Collage“, sagt sie. Vorne an der schon in der WZ beschriebenen Kirchenbank ohne Herkunftsnachweis lehnt Koschka Becker.

Sie verdeckt mit ihrem Ärmel den eingeritzten Namenszug Creutz — ihr Sohn überlegt nämlich noch, ob er die Bank kauft. Eine halbe Stunde später hat David Becker sich entschieden. Einsatz: 250 Euro. Und er weiß auch schon, wer die Lebensspuren in dem alten Holz tilgen kann.

Schauspielerin Rosi Weber schleppt einen steinernen Engel an der Bank vorbei in die Sonne, und hinten stöbert ein Mann noch mal in der Bücherkiste. Magnus Thekook ist mit einer Axt bewaffnet: „Meine Schwester hat gebaut, da braucht sie die vielleicht“, sagt er. Und denkt wahrscheinlich an die eigenen Aufgaben.

Kurz nach 14 Uhr haben fast alle größeren Möbelstücke ihre „Verkauft“-Schilder. Weihnachtsdeko, Bücher und Plakate stehen noch zur Auswahl. Nur bei der Gursky-Ausstellung scheinen mehr Besucher pro Quadratmeter in einem Krefelder Museum gewesen zu sein.