Ausstellung Südbahnhof: Beton-Trugbilder aus Weißrussland

Manuel Schroeder hat Überbleibsel der Sowjetunion festgehalten. Die Ergebnisse seiner Reise sind im Südbahnhof zu sehen.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Seine Arbeiten im Südbahnhof zu zeigen, stellt für den Berliner Fotografen Manuel Schroeder eine Art Heimkehr dar. Als 2010 das kulturelle Zentrum an der Saumstraße öffnete, hat Schroeder dort ein Atelier.

Noch heute ist sein Kunstverein Raumordnung dort gemeldet. Jetzt bringt Schroeder Arbeiten mit, die von einer anderen Kultur und einem speziellen Umgang mit der Geschichte eines Landes erzählen — obwohl sie ausschließlich grauen Beton zeigen.

„Seit Jahren bin ich in Lettland und Weißrussland unterwegs, dort gibt es unglaublich viele Hinterlassenschaften aus Beton. Es würde Millionen kosten, diese zu beseitigen“, sagt Schroeder und zeigt Bilder von Betontreppen, die Mitten in einer Wohnsiedlung ins Leere führen oder tonnenschweren Betonplatten die einfach so in der Landschaft liegengeblieben sind. Nachdem die Sowjetunion aufgelöst wurde, haben viele Produktionsstätten ihre Funktion verloren und wurden einfach ihrem Zerfall überlassen, erzählt der Fotograf.

Überbleibsel des stringenten Machtsystems werden aber nicht nur in dem grauen Material heute noch greifbar. Dass Schroeder in Minsk arbeitet und ausstellen darf, hat er sich über zwei Jahre erarbeitet. Alles musste vom zuständigen Ministerium genehmigt werden. „Der Untergang der Sowjetunion ist dort tabu“, sagt der Fotograf, der zunächst immer nur drei Monate in Weißrussland bleiben durfte und jetzt sogar eine Wohnung in Minsk hat.

Der Titel der Ausstellung „Concrete Delusion — Die Ikonen der Macht im Schein ihrer Trugbilder“ musste für eine Präsentation im Rahmen des dritten weißrussischen Monats der Fotografie gekürzt werden. „Es gibt dort keine Trugbilder der Macht“, sagt Schroeder. Zusammen mit einer Gruppe Fotografen aus Weißrussland ist es ihm innerhalb einen Jahres trotzdem gelungen, den Verfall des Machtsystems sichtbar zu machen. Der Grund: Schroeders Arbeiten sind zurückhaltend, nicht plakativ. Dazu gehört auch eine Installation, die ab dem 26. November im Südbahnhof zu sehen sein wird.

Sie zeigt Ausschnitte von alten Grabsteinen aus Beton. Auch hier bröckelt das Material. Namen sind nicht lesbar, die Gesichter verschwinden. Zur Ausstellung werden die Grabsteine aus Hardschaum, angeleuchtet, oberhalb entsteht die Silhouette einer Stadt.

„Auch hier ist die Ewigkeit eine Täuschung. Trotzdem hat es etwas besinnliches, weil ich zeige, dass wir auch etwas haben, was neu entsteht.“ Die Auseinandersetzung mit dem massiven Material ist seit 20 Jahren seine künstlerische Passion. Und er deckt still und leise auf, dass der Baustoff, der als Haus, Bunker oder staatliches Gebäude Beständigkeit, Schutz oder Macht vorgaukelt, genauso Vergänglich ist, wie das Leben auch.

Wie die Menschen in Minsk auf seine Kunst reagieren? „Mit Unverständnis — die meisten haben sich gewundert, warum wir das Zeug fotografieren. „Wir“, das ist die Gruppe weißrussischer Fotografen, die Schroeders Visionen verstanden haben: „Mit ihnen sind Freundschaften entstanden.“ Mit dieser Fotografen-Gemeinschaft will Schroeder auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten.