Villa Merländer NS-Dokumentationszentrum: Spurensuche in der ganzen Welt

Vor 25 Jahren wurde die Villa Merländer als NS-Dokumentationszentrum eröffnet. Die Ausstellung zeigt jüdisches Leben in Krefeld.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Wenn man die weiße Taste betätigt, kann man die Luftaufnahme des zerbombten Krefeld nicht nur sehen, sondern meint, die ausgebrannte Stadt förmlich zu riechen. Zieht man Schubladen auf, liegen darin Puppen, Stoffe, Bücher. Aufnahmen historischer Redefragmente plärren aus dem Volksempfänger.

Es sind Verweise auf ein ganz normales Leben, das es in diesem Haus und in dieser Stadt vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten gegeben hat. Die Dauerausstellung in der NS-Dokumentationsstelle an der Friedrich-Ebert-Straße 42 ist lebensnah und sinnlich, und es ist nicht zuletzt das, was die Aufmerksamkeit von im Schnitt 2000 Schülern zwischen 14 und 16 Jahren gefangen nimmt, die schulklassenweise zu Besuch kommen. Nur wenige, sagt Ingrid Schupetta, die Leiterin der Dokumentationsstelle, könnten sich der eindringlichen Dokumentation jüdischen Lebens in Krefeld entziehen, die sie und ihr Kollege Burkhard Ostrowski mit fachkundiger Unterstützung zahlreicher Helfer im Laufe von 25 Jahren erarbeitet haben.

Rundgang durch die Ausstellung der NS-Dokumentationsstelle
12 Bilder

Rundgang durch die Ausstellung der NS-Dokumentationsstelle

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1991, nach fünfjähriger Gründungsphase, hat Schupetta die Leitung der Villa Merländer übernommen. „Die Personalausstattung war besser, aber ich habe mit nichts angefangen“, sagt sie. „Es gab keine Ausstellung, keine Exponate, kein Konzept, kaum Material im Stadtarchiv — vieles war verbrannt.“ Die ersten Jahre waren Forscherjahre. „Ich war in der ganzen Welt unterwegs, um Spuren Krefelder Juden zu finden.“ Das gelang. Schupetta und Ostrowski interviewten Zeitzeugen und sind heute sogenannte Zweitzeugen, Menschen also, die Zeitzeugen gekannt haben. Ihr Wissen fließt in eine Datenbank ein, die die Erinnerung für die Zukunft festhält. 47 000 Euro Landesmittel stecken darin.

Der Arbeitsschwerpunkt der Dokumentationsstelle liege mittlerweile auf dem Pädagogischen, sagt Kulturdezernent Georg Micus, Führungen und Vorträgen. Der „außerschulische Lernort“ sei für die kulturelle Bildung enorm wichtig und für das Kulturamt im selben Haus eine „interessante und schöne Bereicherung“, ergän´zt Jürgen Sauerland-Freer, Leiter des Kulturbüros. „Es ist keine Verwaltungseinheit, sondern eine Einrichtung, die aus der Stadtgesellschaft entstanden ist und in sie zurückwirkt“, betont Ingrid Schupetta. Sie hat die Forschung auch im Jahr 25 der Villa Merländer noch nicht aus dem Blick verloren: Zwei Zeitzeugenberichte will sie herausgeben, „hochspannend“, beispielsweise Lebenserinnerungen des Uerdingers Werner Daniels, der als Jude nach Belgien floh, in Frankreich inhaftiert wurde, entkam, sich der Résistance anschloss und als französischer Soldat in Süddeutschland kämpfte.

Gefeiert wird das Jubiläum erst im kommenden Jahr — gemeinsam mit dem Förderverein, ohne den laut Schupetta nichts geht. Er wird 25 Jahre alt, und zur Feier im Theaterfoyer hat sich neben Krefelds OB Meyer auch Landtagsvizepräsident Keymis angemeldet. Die Krefelder Dokumentationsstelle wirke weit über die Stadt hinaus, sagt Micus. Und: „Trotz aller Sparbemühungen hat die Einrichtung nie zur Disposition gestanden.“