Kultur "Move!" - starke Kombi aus Tanz, Klang und Bildern
Henrietta Horn hat im Rahmen der 15. Move!-Tanzveranstaltung ihre Interpretation des Märchens „Des Kaisers neue Kleider“ gezeigt. Das einstündige Stück beeindruckte das Publikum in der Fabrik Heeder.
Krefeld. In Hans Christian Andersens Märchenklassiker „Des Kaisers neue Kleider“ geht es um Wahrheit und Lüge, um den Glauben an eine Illusion, die sich ins Lächerliche verflüchtigt. Denn die vermeintlich prächtigen neuen Kleider des Kaisers sind eine Illusion und der Monarch tritt nackt vor sein Volk.
Dieser Stoff bildet die Grundlage für das Stück „Kaiserkleider“, das jetzt im Rahmen der 15. Krefelder Tage für modernen Tanz Move! in der Fabrik Heeder zu sehen war. Konzept und Choreographie sind von Henrietta Horn, einer Ikone des zeitgenössischen Tanzes. Viele Jahre leitete sie gemeinsam mit Pina Bausch das Folkwang Tanzstudio und ist seit 2008 freiberuflich als Choreographin und Tänzerin tätig.
In der Fabrik Heeder war sie schon mehrfach zu Gast. In dem knapp einstündigen Stück tritt nicht nur sie alleine als Tänzerin in Erscheinung, sondern hat zwei weitere Protagonisten an ihrer Seite. Frank Schulte ist Klang- und Medienkünstler, Reinhard Hubert Video- und Lichtgestalter. Rechts und links von der Bühne sind ihre Pulte aufgebaut, von denen sie die Klang- und Videogestaltung steuern.
Auf der Bühne sind vier schmale Leinwände aufgestellt, die als reale Wände aber vor allem als Projektionsflächen dienen. Hier laufen in teilweise hektischem Tempo Textfragmente des Märchens durch, verschiedene Formen und Zeichen bilden sich, um dann genauso schnell wieder zu zerfallen. Ganze Textblöcke leuchten auch auf dem dunklen Boden auf, dehnen sich aus oder fließen gleichmäßig in eine Richtung.
In diesem Meer von Buchstaben bewegt sich Henrietta Horn zunächst in einem schlichten schwarzen, später in einem hellen Kleid. Wenn sie sich immer wieder am Boden dreht und wendet, als wollte sie gegen den Strom der Wörter ankämpfen, gehört das zu den stärksten Momenten des Abends.
Der Sound spielt mit Wortfragmenten und Wiederholungen, „Kaiser“ und „Kleider“ sind zentrale Worte. Das Spiel mit der Illusion ist perfekt, denn die schnell gezauberten Bilder erweisen sich als extrem flüchtig. In einer längeren Sequenz, bei der auch die Tänzerin unsichtbar bleibt, sieht man nur minutenlang, wie sich die hellen Schatten der Leinwände auf dem Boden kaum wahrnehmbar ganz langsam ausdehnen.
Das zuvor teilweise arg strapazierte Auge des Zuschauers kommt hier zur Ruhe. Denn so faszinierend die enge Verzahnung von Tanz, Klang und Bild in diesem Stück auch ist, so droht der Tanz manchmal in der Flut der Bilder unterzugehen. Gerade bei so einer starken Persönlichkeit wie Henrietta Horn ist das schade. Perfekt passend ist jedoch das ironische Spiel mit der Wahrnehmung. Im letzten Teil des Stückes kommt dies immer deutlicher zum Tragen. Frank Schulte und Reinhard Hubert verlassen dazu ihre Plätze und gesellen sich zu Horn auf die Bühne. Zunächst gehen sie hinter den Leinwänden auf und ab.
Die Bilder darauf zeigen sie anders als in der Realität. In der letzten Szene gehen sie zu dritt über die Bühne, dem Publikum den Rücken zugewandt. „Er legte seine Kleider an“ hört man eine Stimme wiederholt sagen. Die drei legen ihre Mäntel ab und verschwinden komplett nackt hinter den Leinwänden.
Eine wunderbar ironische Schlusspointe, in der Märchen und Performance perfekt verschmelzen. Davon beeindruckt, blieb das Publikum für einige Momente ganz still, bevor es mit langem Applaus die Künstler feierte.