Tangoklänge voller Trotz und Wut
Das zwölfköpfige Orchester Ciudad Baigon hat eine eigene Krefelder Fangemeinde. Ihr Konzert war lange vorher ausverkauft.
Krefeld. Einen echten Krefelder Fanclub hat sich das Orchester Ciudad Baigon erspielt. Schon seit Wochen ist das Konzert in der Fabrik Heeder ausverkauft. Wie gut, dass man zumindest noch zusätzliche Stühle aufstellen konnte.
In ihrer Heimat Buenos Aires zählen Ciudad Baigon zu den Touristenattraktionen. Als Kooperative führen die zwölf jungen Musiker ein eigenes Theater als Spielort. Auch die Musik ist Eigenproduktion: Hernán Cabrera, Energiebündel am Klavier, und German Sanchez am Kontrabass sind die Komponisten. Mit ihren Stücken wollen sie den Tango als populäre Musik in Argentinien am Leben erhalten und nach außen tragen. Aber auch Arrangements von Tangos alter Meister gehören zum Repertoire.
Das große Orchester ist charakteristisch für den alten Tango. In den 40er Jahren war diese Formation aus vier Bandoneons, drei Geigen, einer Bratsche, einem Cello, einem Kontrabass, einem Klavier und einem Sänger typisch - auch Astor Piazolla hatte beispielsweise ein solches Orchester.
Die jungen Leute der Ciudad Baigon spielen seit dreieinhalb Jahren zusammen, ihre Abstimmung ist perfekt. Der Star der Aufführung und Liebling des Publikums ist der Sänger Julían Bruno. Den sozialkritischen Texten seiner Lieder können zwar nur wenige folgen - da singt er zum Beispiel über die Straßenkinder von Buenos Aires oder über einen Mann, der seinen Bruder vor einigen Jahren bei einem Rockkonzert verloren hat und darüber verrückt wird. Doch Protest, Wut und Trotz werden in der musikalischen Sprache immer wieder deutlich, sie sind auch ohne Übersetzung zu verstehen.
Den anderen Teil, die "crazy lyrics" (German Sanchez), kann man nur fühlen und sich den Klängen und Rhythmen hingeben. Das Krefelder Publikum scheint ein wenig vom südamerikanischen Temperament entfernt, nur hier und da sieht man diszipliniert ein paar Finger wippen. Aber beim Abschlussapplaus geht es aus sich heraus und bringt mit Fußtrampeln und Pfeifen seine Begeisterung zum Ausdruck.